Mit einem Leseprojekt wecken Stefan Lempp und seine Kollegin Judith Jany die Leselust ihrer Sechstklässler Foto: Georg Linsenmann

Wer am meisten liest, gewinnt. Mit einem Leseprojekt wecken die Lehrer Stefan Lempp und Judith Jany die Leselust ihrer Sechstklässler.

Stuttgart - Neugereut Kinder, auch fitte Kinder, haben Lesedefizite? Sogar am Gymnasium? „Das ist leider so“, sagt Stefan Lempp. „Die Lust, freiwillig ein Buch zu lesen, ist nicht mehr sehr verbreitet“, stellt der Lehrer fest. Deshalb läuten bei Lempp die Alarmglocken schon lange – und zwar seit der ersten Pisa-Studie im Jahr 2000, die gravierende Mängel in der Lesekompetenz offenbarte. In Künzelsau hatte er deshalb 2005 ein Leseprojekt etabliert – und das hat er jetzt auch an seiner neuen Wirkungsstätte vor. „Wir haben zu Beginn des Schuljahres mit zwei Sechser-Klassen begonnen, und schon zur Halbzeit zeigt sich, dass die Kinder sich für Bücher begeistern lassen.“

„Der hat zuviel Vorsprung, glaube ich, aber ich gebe Gas.“

Das Geheimnis des Erfolges? „Alles ist freiwillig, es gibt keine Noten, das läuft parallel zum Unterricht. Und wir haben das Lesen mit einem Wettbewerbselement angereichert.“ Auf diesen Punkt würden besonders die Jungs anspringen, was Finn dann auch gleich bestätigt: „Yona liegt knapp vor mir, ich will aber unbedingt gegen ihn gewinnen.“ Dass er Maxim noch einholen kann, das glaubt er allerdings nicht: „Der hat zuviel Vorsprung, glaube ich, aber ich gebe Gas.“

Die beiden Klassen haben ein richtiges Programm vor sich: Zehn Bücher soll jeder Schüler im Laufe des Schuljahres lesen. Freiwillig! Daheim! Und nach vier, fünf Wochen, wenn alle mit einem Band durch sind, ist in der Klasse das große Lese-Quiz angesagt. Für die besten Drei gibt es direkt eine Urkunde: „Mit Jubel, wie bei einer richtigen Siegerehrung“, erzählt Lempp. Und zum Ende des Schuljahres wird alles zusammengezählt und der Lesekönig oder die Lesekönigin gekürt. Emilia hat da ein klares Ziel: „Ich will Lesekönigin werden“, betont die Elfjährige. Zweifel, das zu schaffen, hat sie offenbar nicht. Doch auch Maxim rechnet sich Chancen aus, wobei ihm nicht alle Bücher gleich gut gefallen: „Die Sagen waren eine Qual. Ich war so froh, als ich damit fertig war.“ Die „Krasshüpfer“ hat er aber „in ein, zwei Tagen weggevespert“.

„Wer mehr liest, hat einen größeren Wortschatz und lernt insgesamt besser“

Lempp und seine Kollegin Judith Jany freuen sich natürlich, wenn sich auch die Cracks gegenseitig herausfordern. Mehr noch gehe es aber darum, „die zu animieren, die wenig lesen“. Und das funktioniere „ganz offensichtlich“. Eine Herausforderung war es aber, zehn Titel für zwei Klassen anzuschaffen, insgesamt mehr als 500 Bücher: „Dafür hat die Schule kein Geld. Aber wir haben Drittmittel bekommen, 3000 Euro von der Daimler-Stiftung“, erklärt Lempp. Die Bücher gehen zurück an die Schule, für die nächste Runde mit den nächsten Sechsern.

Warum aber dieser Einsatz? „Lesen ist eine grundlegende Kompetenz, das Lesen längerer Text muss geübt werden. Wer später eine qualifizierte Ausbildung machen oder studieren will, braucht das als Voraussetzung“, sagt Jany. Und für die Schule gelte: „Wer mehr liest, hat einen größeren Wortschatz und lernt insgesamt besser.“