Voraussetzung für eine erfolgreiche Eisweinlese ist eine Temperatur von maximal sieben Grad Celsius unter Null. Foto: / Stoppel/Archiv

Entgegen anderslautender Meldungen gibt es in Deutschland doch einen edelsüßen Frosttropfen vom 2019er-Jahrgang – das Weingut Zimmerle hat ihn am 22. Januar gelesen.

Wein - In ganz Deutschland gibt es dieses Jahr keinen einzigen Eiswein. Das zumindest vermeldet das bei Mainz beheimatete Deutsche Weininstitut. Ganz Deutschland? Nein! Im Remstal trotzt ein Weingut auch beim Jahrgang 2019 der eisweinwidrigen warmen Witterung. Am Mittwoch, 22. Januar habe er, berichtet auf Nachfrage Jens Zimmerle in Korb, morgens gegen halb acht bei achteinhalb Grad Minus gefrorene Trauben für knapp hundert Liter Riesling-Eiswein eingebracht. Das Mostgewicht habe etwa 155 Grad Öchsle betragen und liege damit deutlich über den für Eiswein notwendigen 125 Grad.

„Aufgrund des milden Winters wurde in keinem deutschen Weinbaugebiet die für eine Eisweinlese erforderliche Mindesttemperatur von minus sieben Grad erreicht“ hatte dieser Tage das Weininstitut verkündet und daraus gefolgert, der 2019er gehe als Deutschlands „erster Jahrgang ohne Eiswein“ in die Weinbauhistorie ein. Dem wird nicht so sein. Und weil sie Zweifel am geglückten Eisweincoup befürchtet hatten, fotografierten die Zimmerles bei der Lese gleich das Thermometer im Wengert und posteten das Bild auf Facebook.

Das Weinlabor bestätigt die Topqualität

„Jawohl, Jens Zimmerle hat einen Eiswein gelesen“, bestätigt auch Horst Klingler vom Weinlabor in Waiblingen, in dem noch am selben Tag die ersten Proben des hoch konzentrierten Tropfens analysiert worden sind. Topzustand attestiert er den Rieslingtrauben, aus denen der dickflüssige Most noch in gefrorenem, wasserbindenden Zustand abgepresst wurde – „die waren perfekt“. Und ja, sagt er, „die haben draußen gehangen“. An jenem Morgen habe es örtlich tatsächlich Temperaturen im genannten Minusbereich gegeben.

Just an diesem Montag, sagt Klingler, habe er den angehenden Korber 2019er-Eiswein erneut der Analyse mittels Grapescan unterzogen. Der Laborbefund zum offenbar einzigen deutschen Eiswein des Jahrgangs 2019: „PH-Wert 3,0, Säure 7,5 Gramm – mit dem ist alles in Ordnung.“ Andererseits bestätigt Klingler, bei dem die meisten Wengerter der Region ihre Weine analysieren lassen, dass außer Zimmerle kein weiterer seiner Klienten Eisweinproben abgeliefert habe.

Erfolgreiche Lese im altbekannten „Kälteloch“

„Wir haben den Ball flach gehalten“, sagt Jens Zimmerle zu der Tatsache, dass niemand seine erfolgreiche Eisweinlese auf dem Schirm gehabt hat. Außer dem kurzen Post auf Facebook sei er nicht weiter an die Öffentlichkeit gegangen. Auf jenem Rieslingwengert im altbekannten „Kälteloch“ an den Hängen in Richtung Schwaikheim habe er fast in jedem Jahr Trauben für Eiswein hängen lassen. Nicht immer mit Erfolg. Für jene Nacht auf den 22. Januar seien sechs Grad minus angekündigt gewesen. Und die Entscheidung sei gewesen, die Beeren auf jeden Fall zu holen. Da gelte: „Wenn’s nix wird, machen wir eine Beerenauslese daraus.“

Zimmerles Einschätzung, dass es trotz allem insgesamt immer schwieriger werde Eiswein zu machen, teilen seine Kollegen im Remstal. Sven Ellwanger hat in Großheppach selbst Cabernet Cubin und Muskattrollinger hängen lassen. Weil keine Aussicht auf die nötigen Kältegrade bestand, habe er aus den Cabernet-Trauben eine Beerenauslese gemacht. „Das ist fast so schön“ – und eine wirtschaftlich fast ebenbürtige Lösung. „Die Muskattrollinger mussten wir abschreiben – das ist ein Totalausfall“. Dieses Risiko werde angesichts der Klimaveränderungen weiter steigen beim Eisweinpoker. „Aber das ist ja auch das, was den Eiswein wertig macht“, sagt Ellwanger. „Andere Sachen klappen dafür besser.“

Andere, wie das Weingut Karl Haidle in Stetten, haben heuer nichts hängen lassen. Der Zeitraum zwischen früher Reife und den Tagen, in der Kälte zu erwarten war, sei zu lang gewesen, sagt Susanne Haidle. Eiswein sei letztlich mehr eine Prestigesache, denn wirtschaftlicher Faktor. Und klar sei, dass man – vor allem künftig – nicht in jedem Jahr damit rechnen könne. Susanne Haidle: „Aber schön, wenn man’s hat – Eiswein ist an Weihnachten gefragt als Geschenk.“