Aida Nejad empfängt Bürger im neuen Projektraum. Foto: Martin Haar

In der Katharinenstraße hat der Beteiligungsprozess zur Leonhardsvorstadt eine neue Anlaufstelle. Bürger sind aufgerufen, ihre Vorschläge und Wünsche zu artikulieren.

Stuttgart - Hier passiert was! Die Ankündigung an der Glasfront der Räume an der Ecke Lazarett- /Katharinenstraße weckt Erwartungen und soll Menschen anlocken. Dort, im sogenannten Experimentierraum, können Bürger seit dem 17. August durchspielen, wie die Zukunft der Leonhardsvorstadt aussehen soll. In diesem Labor der städtischen Engagementförderung sollen Stuttgarter mitentscheiden können, was die Summe aus dem Bohnen- und dem Leonhardsviertel sein soll. Denn dort stehen gravierende Veränderungen an. Das Züblin- und Breuningerparkhaus müssen Neubauten weichen. Das Ziel der Planung lautet: Eine neue Mitte der Stadt soll entstehen. Mit Wohnraum, Treffpunkten und schließlich dem Film- und Medienhaus als einem kulturellen Hotspot der Stadt.

Um diesen Beteiligungsprozess vor einem offiziellen Wettbewerbsverfahren in die richtigen Bahnen zu lenken, sorgt ein Team, das von der Stadt sowie der Internationalen Bauausstellung (IBA’27) beauftragt wurde: „Wir sind eine projektbezogene Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Studio Malta aus Stuttgart, BeL – Sozietät für Architektur aus Köln und Belius aus Berlin“, erklärt Aida Nejad, Partnerin bei Studio Malta. Dieses Team stellt nun den Bürgern die entscheidenden Fragen in diesem Beteiligungsverfahren.

Wie schafft man Sicherheit?

Im Grunde geht es um Wünsche und Vorstellungen zu den Themen Leben, Arbeiten und Verweilen im Quartier: Wie können unterschiedliche Identitäten zusammenwachsen? Wie sollen die Grenzen zu Nachbarsquartieren aussehen? Wie wird man dem Klimawandel gerecht? Oder: Wie schafft man Sicherheit? Aber es dürfen auch ganz persönliche Wünsche geäußert werden. Zum Beispiel: Was ist besonders wichtig? Was sollte man bewahren? Was muss dringend verbessert werden? Gibt es Dinge, die man vermisst? Wer möchte, kann sich auch praktisch einbringen: Mit kleinen Häuschen, die wie Legobausteine aussehen, kann jeder zum Stadtplaner werden. „Zudem ist aber auch noch ein Team von uns unterwegs im Quartier, das die Menschen direkt anspricht, um so auch die stillen Stimmen einzufangen“, sagt Aida Nejad.

Anfangs trauten sich die Leute noch nicht so recht, einzutreten und mit zu diskutieren. Aber inzwischen hat sich das gelegt. Und es hat sich ein kleiner Trend im Meinungsbild herauskristallisiert: „Den Leuten ist es wichtig, dass sich das Quartier im Sinne des Gemeinwohls entwickelt“, sagt Aida Nejad. Soll heißen: Es solle kein zweites Europaviertel werden. Hier sollen nicht die Spekulanten innovative Nutzungskonzepte verhindern. Dabei sei die Stimme der Jugend besonders wichtig: „Wir wollen auch wissen, wie etwa Zehnjährige über ihr Quartier denken“, sagt Aida Nejad, „denn sie sind bei der Fertigstellung junge Erwachsene.“

Vorbildlicher Prozess für Stadtplanung

Wenn die Ergebnisse dieses ersten Schrittes und die Erfahrungen eines Bürgersalons vorliegen, gibt es ein Plenum: Am Freitag, 2. Oktober, sollen in der zweiten Werkstatt Nutzergruppen und Anwohner sowie die Vertreter wichtiger Institutionen in einen Dialog treten. Etwa zwei Wochen darauf werden die Ergebnisse im Austausch mit Spezialisten wie Stadtplanern, Ökonomen, Architekten oder Energietechnikern überprüft und die Planung konkretisiert. Am Ende, im Jahr 2027 soll im Rahmen der Internationalen Bauausstellung exemplarisch gezeigt werden, wie ein gutes Zusammenleben mitten in der Stadt aussehen kann. „Die Studie gibt eine Empfehlung dafür, worauf bei der weiteren Planung geachtet werden sollte und ist Grundlage für das Wettbewerbsverfahren, welches im Anschluss durchgeführt wird. Im Beteiligungsverfahren werden durch uns keine konkreten baulichen Handlungsempfehlungen oder Planungsleistungen produziert“, sagt Aida Nejad und hat dabei die Hoffnung, dass dieses Planspiel sein ganzes Potenzial entwickelt: „Man soll am Ende sehen, dass Stadtplanung auch anders geht.“

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