Parkhausdach: Sollen hier künftig Kinder kicken oder soll der Monolith abgerissen werden? Foto: Mario Esposito

Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle positioniert sich vor den Beratungen: „Das Züblin-Parkhaus ist eine städtebauliche Wunde.“ Das letzte Wort hat indes der Gemeinderat.

S-Mitte - Der Begriff Leonhardsvorstadt ist wenigen geläufig. Selbst Anwohner sprechen entweder vom Bohnenviertel oder dem Leonhardsviertel, höchst selten jedoch von der Leonhardsvorstadt als einem Ganzen. Ob das anders wäre, wenn nicht das Züblin-Parkhaus vor Jahrzehnten das Viertel – immerhin das älteste der Stadt – in zwei Hälften zerschnitten hätte, bleibt eine akademische Frage. Anders als die Frage nach der Zukunft des Parkhauses, das sich wie ein Monolith zwischen beiden Quartieren erhebt. Soll es bei der Neugestaltung des gesamten Areals im Zuge der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 abgerissen oder in seiner Substanz erhalten werden?

Städtebauliche Wunde

Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin Mitte, hat eine klare Haltung: Abreißen! Bis vor Kurzem war sie, wie viele andere, davon ausgegangen, dass das Züblin Geschichte sei. Nun kann sie sich dessen nicht mehr gewiss sein. Die Planspiele dreier von der Stadt beauftragter Büros für Städtebau haben ergeben, dass ein Erhalt der baulichen Substanz – wohlgemerkt in anderer Nutzung – sinnvoll sei. Kienzle hingegen macht um ihre Abneigung gegen das Parkhaus keinen Hehl: „Das Züblin ist eine städtebauliche Wunde. Ein überdimensionaler Riegel.“ Sie sieht darin das „Trennende“, ein Relikt aus einer Zeit, in der eher auto- als menschenfreundlich geplant wurde: „Die Leonhardsvorstadt braucht ein städtebauliches Heilpflaster.“

Aaron Schirrman, Städteplaner und Partner von Studio Malta (Stuttgart/Berlin) streitet die trennende Wirkung des Züblin nicht ab, stellt aber infrage, ob diese vorrangig aus den Abmessungen des Baus, und nicht in erster Linie aus dessen Nutzung resultiere. „Wir müssen uns an die beste Lösung herantasten. Entscheidend ist die spätere Funktion“, sagt Schirrmann. Er möchte den Prozess offenhalten, will noch keine Festlegung.

Die für die Umgestaltung des Areals avisierte Bruttogrundfläche von 15 000 Quadratmeter sieht Schirrmann als ausreichend luftig an. Die Jugendlichen und Kinder allerdings müssten bei dieser Kalkulation damit rechnen, ihre Orte, namentlich Sandkasten, Bolzplatz, Basketballplatz, BMX-Parkour künftig auf dem Dach oder gar im Inneren eines Neu- oder Umbaus vorzufinden. Schirrmann dazu: „Eine statische Inaugenscheinnahme hat ergeben, dass das Parkhaus Potenzial vorzuweisen hat.“ Möglich wären Luft- und Galeriegeschosse. Wer allerdings das Züblin mit seinen durchgehend abschüssigen Flächen und seinen niedrigen Deckenverstrebungen kennt, dürfte sich fragen, ob wirklich alles, was dem Augenschein nach möglich, tatsächlich auch sinnvoll ist.

Kleinteiligkeit und Freiraum

Zur Idee etwa eines Sportplatzes auf dem Dach äußert Kienzle Bedenken: „Es bedarf lediglich einer Beschwerde wegen Lärmbelästigung und der Sportplatz darf nur noch von 14 bis 16 Uhr genutzt werden.“ Bei Beschwerden aus dem Viertel kann Kienzle direkt mit den Menschen sprechen, beschwichtigen, den Ausgleich finden. Dafür ist sie bekannt. Bei Beschwerden aus umliegenden Vierteln, etwa von der hochpreisigen Halbhöhenlage, weil der Lärm vom Dach ungehindert dort hinauf getragen wird, sieht sie sich hingegen machtlos. Kienzle fühlt sich den Menschen im Viertel verbunden, ja, verpflichtet. Seit 2004 kümmert sie sich um das Viertel, ist hier nahezu täglich mit dem Rad unterwegs. Es ist weniger das Interesse am städtebaulichen Experiment, als das Leben vor Ort, das Kienzles Blick auf das Züblin prägt. Deswegen plädiert sie für eine lockere Neubebauung, für Kleinteiligkeit, für Freiraum: „Nur so sind Sozialverträglichkeit und das Identitätsstiftende gewährleistet.“

Ideen dazu hat sie in Fülle: Etwa ein Hotel, das von Jugendlichen oder Menschen mit Behinderung geführt wird, und das so den Reichtum des Viertels, den sie in seiner sozialen Vielfalt sieht, widerspiegelt. Kienzle ist sich gleichwohl bewusst, dass ein Neubau soziale, finanzielle und ökologische Mehrbelastungen brächte. Und sie weiß, dass sie in ihrer Funktion nur Empfehlungen geben kann. Das letzte Wort hat der Gemeinderat. Es bleibt also spannend. Fortsetzung folgt. Zunächst im Bezirksbeirat (5. Juli), einen Tag später im Ausschuss für Stadtentwicklung.