In der Eltinger Straße könnte der Platz für Autos reduziert werden. Foto: Simon Granville

In Leonberg wurde 2022 über ein Zentrum mit weniger Autos und mehr Freiraum diskutiert. Aber die Facetten dieses Vorhabens sind nur ansatzweise erkennbar.

Das offizielle Ende war dann doch keins: Eine gute Woche vor Weihnachten sollte erst einmal Schluss sein mit gelben Markierungen, abgetrennten Fahrspuren und Sonderschildern. Doch ein Wintereinbruch Mitte Dezember stoppte die Arbeitstruppe, die die Absperrungen des Verkehrsversuchs demontieren sollten. Und in der Woche vor Heiligabend hatte die beauftragte Firma keine Zeit mehr. Die Eltinger Straße und die Brennerstraße haben also weiterhin gesonderte Abschnitte für Rad und Bus. Umweltspur nennt sich so etwas im ökologisch korrekten Neusprech.

Seit Juni sind die beiden Hauptachsen im Leonberger Zentrum aufgeteilt: Ehedem vierspurig für Autos in alle Richtungen, gehört nun jeweils eine Bahn Radlern und Bussen. Das städtische „Referat für innovative Mobilität“, von SPD-Oberbürgermeister Martin Georg Cohn eigens ins Leben gerufen, will damit überprüfen, ob der geringere Platz für Autos zu nennenswerten Behinderungen führt.

Wohin mit dem Ausweichverkehr?

Der sogenannte Verkehrsversuch war auf ein halbes Jahr begrenzt und sollte vor Weihnachten enden, läuft jetzt aber aus eingangs erwähnten Gründen erst einmal weiter. Doch obwohl die Auswertungen noch nicht abgeschlossen sind, scheint das Ergebnis für die Verkehrsstrategen im Leonberger Rathaus indes schon festzustehen: Probleme gibt es nur in den Hauptverkehrszeiten oder wenn die Autobahnen dicht sind. Eine Situation, die die meisten seit vielen Jahren kennen – mit oder ohne Verkehrsversuch.

Eine Verkleinerung der großen Straßen für den Autoverkehr scheint auf den ersten Blick also machbar zu sein. Gleichwohl ist noch nicht geklärt, inwieweit die angrenzenden Wohnviertel dann mit stärkerem Ausweichverkehr rechnen müssten. Erkenntnisse hierüber sollen dann vorliegen, wenn der Test letztlich analysiert und interpretiert ist.

Dass sich Leonberg vom Image einer autogerechten Stadt verabschieden muss, steht für den Oberbürgermeister unabhängig von all dem aber fest. „Stadt für morgen“ nennt Martin Georg Cohn sein Projekt, mit dem er im Zentrum mehr Freiflächen, Grünzonen, Radwege, Flaniermeilen und eben weniger klassische Straßen schaffen will. Dafür hat der OB, der jetzt fünf Jahre im Amt ist, Planungsbüros engagiert, die sich in dieser Materie bestens auskennen und zudem rhetorisch in der Lage sind, ihre Visionen einer „Stadt für morgen“ den Menschen nahezubringen.

Zwei Infoabende und ein Werkstattgespräch mit Ideen aus der Bürgerschaft hat es in diesem Jahr gegeben. Bei einer Präsentation im Spätherbst haben die Architekten schon mehr oder weniger fertige Pläne vorgestellt, die eine zweispurige Eltinger Straße als Baumallee mit kleinen Bächen am Rande und breiten Gehwegen zeigen. In der Römerstraße bei den großen Einkaufsmärkten haben die Planer die Busbuchten verschwinden lassen und durch großzügige Fußgängerbereiche ersetzt.

Stillstand im Postareal

Dass die Entwürfe schon so weit gediehen sind, gefällt nicht allen. Vorher hätte der Gemeinderat involviert werden müssen, moniert die CDU. Schließlich gehe es um viel Geld. Allein im Haushalt des kommenden Jahres sind 7,5 Millionen Euro eingeplant. Die Freien Wähler verweisen darauf, dass die Eltinger Straße erst vor wenigen Jahren saniert wurde und baulich in einem guten Zustand ist. Sie jetzt wieder aufzureißen, mache keinen Sinn.

Die Grünen und die SPD teilen solche Bedenken nicht und freuen sich auf mehr innerstädtische Radwege. Wobei auch das sogenannte bürgerliche Lager von Freien Wählern und CDU nicht grundsätzlich gegen eine Auffrischung des Zentrums ist. Der Begriff des Stadtumbaus macht seit mehr als 15 Jahren die Runde: Das Postareal, das genau zwischen der betonlastigen neuen Stadtmitte und dem historischen Marktplatz liegt, könnte ein architektonisch anspruchsvolles Bindeglied zwischen den beiden innerstädtischen Polen sein. Doch selbst hier, wo die Beschlusslage eindeutig ist, herrscht Stillstand.

Stillstand beim Postareal

Das längst nicht mehr genutzte Gebäude der ehemaligen Hauptpost steht immer noch, der „Brückenschlag“, der das auseinandergerissene Zentrum zusammenfügen soll, lässt auf sich warten. Dem Vernehmen nach gibt es noch Diskussionen mit dem Investor „Strabag Real Estate“, der angesichts der durch Corona und Krieg unsicheren Wirtschaftslage seine ursprünglichen Pläne nur abgespeckt umsetzen will.

Selbst wenn eine Reduzierung des Straßenraumes für Autos in einem überschaubaren Zeitraum umgesetzt würde, liegen viele Facetten, wie die „Stadt für morgen“ einmal aussehen könnte, noch im Ungefähren. Und die politischen Diskussionen, dass zeichnet sich jetzt schon ab, dürften eher schwieriger werden. Im Mai 2024 sind Kommunalwahlen. Bis dahin sind es nicht einmal mehr anderthalb Jahre. Die Aufgeregtheiten im Gemeinderat dürften also zunehmen.