Der Grandseigneur der leisen Töne: Leonard Cohen Foto: dpa

Leonard Cohen spricht in der Schleyerhalle den Baumschützern seine Solidarität aus.

Stuttgart - Beginnen wir in der Mitte. Als der Applaus der rund 8500 Fans zum ersten Mal so richtig tosend ist, hat Leonard Cohen nicht gesungen. Der Grandseigneur der leisen Lieder spricht den Stuttgarter Baumschützern seine Solidarität aus. Cohen ist eigentlich kein Mann der großen Ansprachen, er ist keiner, der sich seinen Fans anbiedert. Der 76-Jährige ist ein charismatischer Sänger, einer, der nichts braucht außer seinen so lässig dahingesungenen Worten. Und davon hat er sehr viele.

Mehr geht nun wirklich nicht: Über drei Stunden reine Konzertzeit. Eine halbe Ewigkeit für moderne Popkonzerte. Ein scheinbar Leichtes für einen wie Cohen. Er ist auf seiner "World Tour 2010" und sagt: "Ich weiß nicht, wann wir wieder hier sein werden. Aber heute verspreche ich, dass wir alles geben werden." Und ja, sie geben alles. Das Konzert von Leonard Cohen und seiner sechsköpfigen Band mit zwei Backgroundsängerinnen zeigt, dass selbst die Schleyerhalle kein großes Tamtam braucht. Während draußen nebenan auf dem Wasen bunte Lichtlein leuchten, gibt es hier keine Show, sondern ein Konzert in seinem besten Sinn. Er ist kein Mann der großen Gesten. Aber der großen Songs und kleinen Szenen. Wie Cohen seinem Mann an der Orgel lauscht, den Hut am Herzen, dann singt er "Hallelujah", hat die Augen geschlossen, und geht in seinem dunklen Anzug hinunter auf die Knie. Er scheint zu flüstern. An den bittersüßen Stellen des Songs. Besondere Momente wie ebenjene gibt es an diesem Abend en masse. Cohen singt sie alle. All jene Klassiker, die auf so berührende Art vom Lieben und Leiden erzählen.

Seine Show braucht nur ihn

Mit seinem erstaunlichen Bassbariton erzählt er aus seinem Leben. Aus dem "Chelsea Hotel No. 2", jenem Song, den er für Janis Joplin geschrieben hat. Zu "Everybody Knows" tänzelt er gar leichtfüßig über die Bühne, greift bei "The Darkness" zu seiner schwarz glänzenden Gitarre, und nicht nur bei "Waiting For The Miracle" fällt diese lebensweise Stimme auf, die doch so viel zu erzählen hat. Wir lauschen und staunen über das perfekte Zusammenspiel dieser Band. Kein bisschen Nostalgie, sondern pures Glück, einen Ausnahmemusiker zu erleben, der doch auch so viel Dichter ist. Einer, der aus einem Repertoire schöpft, das keine Füller braucht.

Seine Show braucht nur ihn. Die Bühne ist schlicht gehalten, Vorhänge schlagen Wellen im Hintergrund, auf dem Boden sind altmodisch gemusterte Teppiche ausgelegt. Mehr ist da nicht, aber viel mehr Musik und Poesie als anderswo. Dezente Einlagen gibt es dann doch. "The Girls Dancing" singt Cohen in dem Song "The Future", und die beiden Backgroundsängerinnen schlagen Rad. Mister Cohen zieht seinen Hut vor seinen Mitmusikern, vor Bob Metzger, dem zweiten Gitarristen, vor Rafael Gayol am Schlagzeug, dem Keyboarder Neil Larsen, Javier Mas aus Barcelona, Dino Soldo, der die melancholische Klarinette erklingen lässt, sowie seinem Musical Director und Freund seit 35 Jahren Roscoe Beck - und natürlich vor den bezaubernden Webb-Schwestern, die ihn nicht nur begleiten, sondern auch ergänzen.

Leonard Cohen weiß, was er kann. Er weiß, dass er niemandem mehr etwas beweisen muss. Außer vielleicht sich selbst. So zeigt er im sehr langen Zugabenblock wie neu und lebendig "First We Take Manhattan" interpretiert werden kann. "Remember me, I used to live for music", singt er da. Am Ende sieht man nur selige Gesichter. Sie haben einen ganz Großen gesehen.