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28-jähriger Ingenieur springt bei Erprobungsflug über der Alb mit Fallschirm ab.

Lenningen - Das sonnige Wetter scheint wie gemacht für einen Segelflug über die Alb - doch dann stürzt am Donnerstag ein Segelflugzeug über Lenningen im Kreis Esslingen ab. Glück im Unglück: Der Pilot hat sich mit dem Fallschirm retten können.

"Jetzt wird's Zeit, dass du aussteigst", hört der 28-jährige Pilot den Ratschlag eines Kollegen im anderen Segelflugzeug. Im Himmel über Lenningen, Kreis Esslingen, ist an seinem Segler des Typs Nimbus 4M das Heckteil abgebrochen - Alarmstufe eins. Keine Frage nach dem Warum. Der 28-Jährige, ein Flugzeugkonstrukteur und erfahrener Flieger, muss sich an diesem Donnerstag um 13.50 Uhr zu einer unfreiwilligen Premiere überwinden. Absprung mit dem Rettungsschirm.

Das Heckteil schlägt am Mittagsfels auf

Der Betroffene gehört zum Konstrukteursteam der Firma Schempp-Hirth Flugzeugbau in Kirchheim/Teck. Gut eine Stunde zuvor war er auf dem Flugplatz Hahnweide zu einem Erprobungsflug gestartet. "Über den Winter werden die Flugzeuge überarbeitet und modifiziert", sagt Geschäftsführer Tilo Holighaus, "und das hier war ein üblicher Testflug." Der Segler mit der Kennung D-KHXX, ein Nimbus mit 26 Meter Spannweite, gehört zu den Veteranen aus den 90er Jahren. Das Flugzeug wurde schon mehrfach überarbeitet. "Aber der Absturz hat mit den jüngsten Veränderungen nichts zu tun", betont Holighaus, "denn am Heck ist nichts umgebaut worden."

Das abgebrochene Heckteil schlägt am Mittagsfels bei Lenningen auf. Einen Kilometer entfernt, auf einer Lichtung in der Nähe des Bergs Asch, krachen Rumpf und Flügel in den Boden einer Wiese. Der 28-jährige Pilot segelt derweil mit seinem lenkbaren Gleitschirm in die Nähe des Engelhofs - fast zwei Kilometer vom Asch entfernt. Dort holt er Hilfe herbei - freilich sind Polizei und Rettungskräfte längst informiert.

Spektakuläres Ende eines anderen Segelflugs

Die Suche nach den Wrackteilen erweist sich wegen der ausgedehnten Waldgebiete als schwierig. Erst nach einer Weile werden die Trümmer von der Besatzung eines Polizeihubschraubers ausfindig gemacht. Als Holighaus die Absturzstelle erreicht, ist er trotz 100.000 Euro Schaden sichtlich erleichtert, dass alles glimpflich ausgegangen ist. Der Ingenieur, der schon als Student in seiner Firma gearbeitet hat, hat den Zwischenfall unbeschadet überstanden. "Ein kleiner Kratzer am Hals vom Gurt, das ist alles", sagt Holighaus. Dass man mit dem Fallschirm abspringen muss, ist auch für den routinierten Segelflieger eine Seltenheit.

"So ein Rettungsschirm ist die letzte Lebensversicherung", sagt Michael Weingart, Ausbildungsleiter und Fluglehrer bei der Fliegergruppe Wolf Hirth, "deshalb haben ihn Piloten inzwischen zu fast hundert Prozent dabei." Zusammenstöße in großer Höhe hätten sich in der Vergangenheit als einer der Unfallschwerpunkte erwiesen - und hier sei ein Fallschirm die letzte Chance. Allerdings nützt der Schirm nur in größerer Höhe: "Laut Hersteller sollten es mindestens 200 bis 250 Meter sein", sagt Weingart, "am besten sind 400 Meter." Und dann heißt es: Kabine öffnen, Kanzel weg, losschnallen, rausspringen. "Ein Patentrezept", so Weingart, "gibt es da nicht."

Spektakuläres Ende eines anderen Segelflugs

Die Segelfliegerei erlebt in diesen Tagen viel Licht und Schatten. Tilo Holighaus selbst konnte am vergangenen Samstag dank Vulkanasche aus Island das europaweite Flugverbot für Düsenjets ausnutzen und mit seinem Segelflieger erstmals über die Piste des Flughafens und den Stuttgarter Kessel schweben - ansonsten eine strenge Sperrzone. Unerfreulich endete dagegen der Flug eines 38-Jährigen am Sonntag. Nach dem Start auf der Hahnweide musste er wegen fehlender Thermik auf einem Acker im Gewann Speckäcker bei Nürtingen notlanden. Immerhin kam er mit dem Schrecken davon.

Spektakulär endete der Flug eines 49-Jährigen am 10. April, der am Flugplatz Hahnweide gestartet war. Auch bei ihm ging es wegen abreißender Thermik nicht weiter, und er musste im Baustellenbereich der Autobahn 8 zwischen Mühlhausen und Gruibingen notlanden. Sein Glück: Das Straßenstück war vom Verkehr abgetrennt - und die Autofahrer standen bewegungslos im Stau.