Der Stuttgarter Konzern Bosch steht im Visier von US-Anwälten, die ihn beschuldigen, mit VW gemeinsame Sache gemacht zu haben. Foto: dpa

Der Stuttgarter Konzern Bosch steht im Visier von US-Anwälten, die ihn beschuldigen, mit VW gemeinsame Sache gemacht zu haben . Beim Diesel-Verfahren geht es für Bosch nicht nur um viel Geld, sondern auch um die eigenen Glaubwürdigkeit.

Stuttgart - Schon die Möglichkeit, dass es so gewesen sein könnte, verschlägt derzeit vielen Bosch-Mitarbeitern die Sprache. Ausgerechnet das Unternehmen, das von Robert Bosch gegründet wurde, soll ein „aktiver Teil einer massiven, jahrzehntelangen Verschwörung mit VW“ gewesen sein und zusammen mit VW jahrelang die Ergebnisse von Abgastests manipuliert haben? Bosch, so schreiben mehrere US-Anwälte, habe VW geholfen, US-Autokunden zu betrügen. Hatte nicht Urvater Robert Bosch einst erklärt, er würde lieber Geld verlieren als Vertrauen?

Wie das Verfahren auch ausgehen wird, das die Anwälte anstreben – die Vorwürfe treffen den Konzern schon jetzt ins Mark. Denn sie ziehen seine Glaubwürdigkeit als ein besonders integres, sauberes Unternehmen in Zweifel, die ihre Wurzeln tief in der fast 130-jährigen Geschichte der Firma hat. Es geht um Milliarden, aber fast noch mehr geht es um die Identität des Unternehmens.

Gewiss, auch bei Bosch arbeiten nicht nur Heilige. Erst im vergangenen Jahr zahlte das Unternehmen eine Millionenstrafe wegen Preisabsprachen für Autokomponenten. Doch die nun erhobenen Vorwürfe haben eine ganz andere Größenordnung. Allerdings sagt die Schwere eines Vorwurfs nichts über dessen Wahrheitsgehalt aus. Der Hinweis auf die Unschuldsvermutung ist gerade hier mehr als nur eine Formalie: Bisher sind weit mehr Behauptungen im Umlauf als Belege. Das gilt etwa für die behauptete Schlüsselrolle von Konzernchef Volkmar Denner, die unter anderem daran festgemacht wird, dass Denner sich dafür aussprach, dass Mitarbeiter auch Risiken eingehen und Fehler machen dürfen. Daraus eine Ermunterung zu illegalen Machenschaften abzuleiten ist eine durchaus kühne Schlussfolgerung.

Doch entscheidend ist nicht, wie viele der teilweise mit viel Wortgewalt vorgebrachten Vorwürfe sich am Ende in Luft auflösen werden, entscheidend ist vielmehr, ob sich letztlich doch einer davon als stichhaltig erweist. Und hier ist Bosch keineswegs auf der sicheren Seite, zumal das amerikanische Verfahrensrecht Klägern viel mehr Möglichkeiten an die Hand gibt als das deutsche.

Das US-Recht gibt Klägern mehr Möglichkeiten als das deutsche

Während Zivilkläger in Deutschland erst Belege in der Hand haben müssen, um vor Gericht ernstgenommen zu werden, reichen in den USA vage Vorwürfe aus, um bei deren Adressaten umfangreiche Nachforschungen anstellen zu können. Bei VW kamen durch dieses sogenannte Discovery-Verfahren Dokumente von mehreren Millionen Seiten ans Tageslicht, und Bosch taucht darin häufiger auf, als den Verantwortlichen lieb sein kann. So beziehen sich die Kläger auf einen Schriftverkehr, in dem Bosch von VW im Jahr 2008 eine Haftungsfreistellung verlangt habe, was – wenn es zutrifft – die brisante Frage aufwirft, ob Bosch nicht längst ahnte, dass seine Software für illegale Zwecke genutzt werden sollte oder gar daran mitwirkte.

Rechtlich gesehen darf ein Zulieferer weder in Deutschland noch in den USA die Augen davor verschließen, was mit seinen Teilen geschieht. Die Frage ist daher, ob man bei Bosch etwas wusste – und wenn ja, wer. Je höher Mitwisser angesiedelt waren, desto größer der Erklärungsbedarf. Doch auch wenn sich herausstellen sollte, dass es keine Mitwisser in der Top-Etage gab, wird sich die Frage stellen, warum ein Unternehmen, dem Fairness wie kaum einem anderen in den Genen liegt, auf Abwege geraten konnte. Dass Bosch am Ende ungeschoren aus dem Verfahren kommt, ist zwar durchaus möglich – doch verlassen kann man sich darauf keineswegs. Der gute Ruf von Bosch liegt nun in der Hand der Gerichte.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de