Drinnen im Kanzleramt tagen die Bauern, draußen protestieren die Tierschützer. Foto: AFP

Bauern protestieren: Die Agrarwende ist notwendig, aber mit ihr drohen einige Betriebe unter die Räder zu kommen. Dabei brauchen wir eine heimische Landwirtschaft, die regional Qualitätsprodukte erzeugt.

Berlin - Politiker stellen die Weichen ständig neu – auch in der Agrarpolitik. Jetzt sind es der Klimaschutz, der Kampf gegen das Insektensterben und für eine saubere Umwelt samt nitratfreien Grundwasser sowie das Wohl der Tiere, die thematisch im Vordergrund stehen. Von Ernährungssicherheit oder gesunden Produkten spricht keiner mehr. Aber bei der von Landwirtschaftminister Julia Klöckner (CDU) gemeinsam mit Umweltschutzministerin Svenja Schultze (SPD) sanft eingeleiteten Agrarwende drohen ähnliche Fehler wie bei der Verkehrswende, die mit Fahrverboten einher geht.

Die Betroffenen werden nicht mitgenommen, sondern mit Verboten traktiert, Widersprüche zwischen verschieden Interessen scheinen unauflösbar, die Fronten verhärten sich. Am Montag trugen im Kanzleramt die Bauernverbände ihr Anliegen vor, draußen aber hatten Tierschützer Posten bezogen und beklagten die zu enge Haltung von Muttersauen. Die Bauern fühlen sich zu Unrecht angefeindet und von Umweltauflagen gegängelt, sie haben nicht nur in Deutschland zu massiven Protesten aufgerufen, sondern auch in Frankreich und den Niederlanden.

Die Volksbegehren in Bayern und Baden-Württemberg haben den Druck auf die Bauern erhöht. Am Insektensterben, das war deren Kernbehauptung, sei die intensive Landwirtschaft schuld. Bauern aber sagen, sie seien der Natur verbunden, schützten das Klima, pflegten die Kulturlandschaft und das Wohl ihrer Tiere liege ihnen am Herzen. Tatsache ist, dass ein in Stallbauten investierender Landwirt von Amortisationszeiten von 20 Jahren ausgeht – er kann nicht aufgrund launischer Politik alle paar Jahre den Stall umbauen ohne seine Existenz zu gefährden – und das trifft gerade kleine und mittlere Betriebe hier im Südwesten.

Um beim Tierwohl zu bleiben, wo sich die größten Widersprüche auftun: Einerseits greift der Verbraucher selbstverständlich zu billigen Fleisch-, Milch- und Eierprodukten, andererseits will er ein glückliches Huhn, Schwein oder Rind auf dem Bauernhof. Dass ein Schweinemäster, der einen offenen Laufstall für seine Tiere bauen will, wegen der zum Himmel stinkenden Emissionen nur schwer eine Genehmigung der Umweltbehörde erhalten würde, können sich die Landwirtschaft romantisierende Mitbürger nur schwer vorstellen.

Um es klar zu sagen. Auch die Landwirtschaft muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, muss angesichts des Artensterbens ökologischer werden. Aber der Prozess muss mit den Bauern eingeleitet werden, nicht gegen sie. Es gilt eine regionale Landwirtschaft in ihren familiären Strukturen zu erhalten und zu stärken, eine Erzeugung von Qualitätsprodukten in Marktnähe muss die Zukunft sein. Stirbt unsere Landwirtschaft, werden wir mehr von Nahrungsimporten abhängig, bei denen unser Einfluss auf die Produktionsbedingungen gering ist.

Die Politik muss Leitlinien vorgeben, dabei aber auf die Bauern hören. Beispielsweise sind die direkt an die Flächen gebundenen Zahlungen der EU-Gelder ein Anachronismus, denn sie werden gezahlt, egal, ob jemand eine für die Natur wertvolle Blumenwiese besitzt oder eine Mais-Monokultur, von der die Gesellschaft gar keinen ökologischen Mehrwert hat. Trotzdem laufen selbst mittlere Landwirte Sturm gegen eine Reduzierung der Direktzahlungen, da sie ein Einkommensgarant sind. Eine stärkere Umschichtung der Mittel von den Direktzahlungen in einen zweiten Fonds für Agrarumweltmaßnahmen wäre sinnvoll. Dass sie bei den Bauern so unbeliebt ist, weist auf Fehler im System hin. Die Agrarpolitik hat noch eine Herkulesaufgabe vor sich.

christoph.link@stzn.de