Schon in der Grundschule will die Kultusministerin ansetzen, um Verbesserungen zu erreichen. Foto: dpa

Prozentrechnen: schwach, Rechtschreibfehler in Texten finden: ungenügend. Abgesehen von den Gymnasiasten schneiden baden-württembergische Achtklässler in den aktuellen landesweiten Vergleichsarbeiten miserabel ab.

Stuttgart - Die baden-württembergischen Achtklässler haben erhebliche Schwächenin Rechtschreibung und Mathematik. Das geht aus den aktuellen Vergleichsarbeiten (Vera) des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hervor. Abgesehen von den Gymnasiasten bleibt jeder dritte Achtklässler in Orthografie etwa auf Grundschulniveau stecken. In Mathematik erreichen sogar 58 Prozent der Achtklässler allenfalls den Mindeststandard für ihre Klassenstufe. Im Lesen sieht es etwas besser aus, da bewegen sich immerhin 58 Prozent innerhalb der altersgemäßen Norm. Zwölf Prozent sind sogar richtig gut. Auch an den Gymnasien kommen in Mathematik gut 20 Prozent der Schüler nicht über den Mindeststandard hinaus, in Lesen sind es 23 Prozent und in Orthografie zehn Prozent.

„Das Ergebnis ist für alle Schularten ernüchternd“, sagt Sandra Boser, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Doch gibt es zwischen den verschiedenen Schularten gravierende Unterschiede. An den Werkreal- und Hauptschulen erfüllen 84 Prozent der Achtklässler die Regelanforderungen an ihre Klassenstufe nicht, 67 Prozent beherrschen die Rechtsschreibung lediglich auf Grundschulniveau, beim Lesen gilt das für 57 Prozent der Werkreal- und Hauptschüler. Etwas besser stehen die Gemeinschaftsschulen da. Von ihnen haben die 41 Schulen mitgemacht, die als erste gestartet waren. Die übrigen Gemeinschaftsschulen haben im aktuellen Schuljahr noch keine achte Klassenstufe, weil sei nach 2012 gegründet wurden. 64 Prozent bleiben in Mathematik unter dem altersgemäßen Niveau, in Orthografie sind es 48Prozent und in Lesen 28 Prozent. An den Realschulen bewegen sich im Lesen 18 Prozent unter Niveau, in Orthografie 20 und in Mathematik 44 Prozent.

Ministerin will Leistungsschwache besser fördern

Die Ergebnisse hat Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Donnerstag den Regierungsfraktionen in der gemeinsamen Sitzung des parlamentarischen Arbeitskreises Bildung vorgestellt. Sie kündigte an, „die neue Landesregierung wird in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt auf eine umfassende Förderstrategie leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler legen“. Schon in der Grundschule will Eisenmann ansetzen. Der neue Bildungsplan, der im Herbst eingeführt wird, mache wieder verbindlichere Vorgaben zur Rechtschreibung. Umstrittene Methoden wie „Schreiben nach Gehör“ werde die grün-schwarze Landesregierung hinterfragen. Vom neuen Schuljahr an gibt es außerdem in den Grundschulen mehr Deutsch- und Mathematikunterricht. Damit „stärken wir grundlegende Kompetenzen von Anfang an“, erklärte Eisenmann.

An Gemeinschaftsschulen will Eisenmann „sorgfältig analysieren, ob leistungsheterogene Gruppen wirklich mehr Leistung und mehr Kompetenz bei den Schülern hervorbringen“. Die Realschulen sieht die Ministerin durch bereits beschlossene zusätzliche Stunden für die individuelle Förderung auf dem richtigen Weg. Bei den Werkrealschulen warnt die Kultusministerin davor, dass „immer kleinere Standorte sich auf die Fachlichkeit auswirken“. Schon im Jahr 2012 hatte das IQB bei einem Vergleich in den naturwissenschaftlichen Fächern kritisiert, dass an baden-württembergischen Werkrealschulen naturwissenschaftlicher Unterricht häufig nicht von Fachlehrern erteilt werde.

Grüne und CDU warnen vor Strukturdebatte

Die bildungspolitischen Sprecher von Grünen und CDU bemühten sich um Gelassenheit. „Wir dürfen angesichts der teilweise sicherlich ernüchternden Ergebnisse jetzt keine vorschnellen Schlüsse ziehen“, erklärten Sandra Boser (Grüne) und Karl-Wilhelm Röhm (CDU) gemeinsam. Ein Rückfall in die ihrer Ansicht nach „inzwischen überwundene Schulstrukturdebatte“ wäre laut Boser und Röhm fatal. „Die grün-schwarze Koalition will stattdessen gemeinsam die Qualität der Schulen und des Unterrichts verbessern“, versprechen sie. Alle Schularten stünden vor der Herausforderung, die zunehmende Vielfalt unter den Schülern aufzugreifen. Mit dieser Entwicklung müsse die Lehrerfortbildung Schritt halten. Ihre Hoffnungen setzten Grüne und CDU auf das bereits reformierte Lehramtsstudium. Sie erwarten, dass die künftigen Lehrer „mit heterogenen Klassen und dazu passenden Unterrichtsformen gut umgehen können“.