Solche Wegfahrsperren will Leinfelden-Echterdingen als letztes Mittel nutzen. Foto: dpa

Die Stadt Leinfelden-Echterdingen will Ventilwächter – eine besondere Art von Wegfahrsperren – einsetzen, um säumige Bürger zum Zahlen aufzufordern. Diese sind jedoch umstritten, weil sie eine potenzielle Gefahr für den Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer darstellen.

Leinfelden-Echterdingen - Kritiker stufen diese Art von Wegfahrsperren als gefährlich ein – insbesondere dann, wenn sie nicht bemerkt werden. Dennoch will sich die Stadt Leinfelden-Echterdingen in den kommenden Wochen einige sogenannte Ventilwächter anschaffen. Damit sollen Bürger, die beispielsweise nie ihre Strafzettel begleichen oder auch ständig ihren Steuerforderungen nicht nachkommen, zum Zahlen aufgefordert werden. „Als Vollstreckungsinstrument“ und „zur Abschreckung“ wie Tobias Kaiser, der Leiter des städtischen Finanzverwaltungsamts sagt. Und: „Wir haben da so ein paar Kandidaten.“

Städtische Mitarbeiter der Mahnabteilung werden „als allerletztes Mittel“ und erst, nachdem die Maßnahme via Brief angedroht wurde, Hand an das Fahrzeug des säumigen Bürgers legen. Sie schrauben die Kappe des Ventils eines Autoreifens ab und montieren einen kleinen Plastikaufsatz mit Schloss. Steigt der Fahrzeughalter dennoch in sein Heiligs Blechle und rollt damit los, entweicht die Luft des Reifens innerhalb von bis zu 500 Metern komplett. Der Autofahrer kann nicht weiterfahren. „Das Fahrzeug wird mit Hinweisen beklebt“, sagt Tobias Kaiser dazu. Gleich drei große Aufkleber werden auf die Scheiben des Wagens geheftet. Sie weisen darauf hin, dass das Auto beschlagnahmt ist und die Wegfahrsperre angebracht ist. „Das muss man einfach merken“, sagt der Amtsleiter.

Kritik von den Automobilclubs

Die beiden großen Automobilclubs in Deutschland bewerten das Ganze dennoch kritisch. Anja Smetanin, Pressesprecherin des ACE Autoclub Europa, sagt auf Nachfrage unserer Zeitung: „Diese Wegfahrsperre ist unverhältnismäßig.“ Sie berge ein hohes Sicherheitsrisiko. Wenn die Luft aus dem Reifen entweiche, sei das gefährlich für den Fahrer und auch für andere Verkehrsteilnehmer. Zudem entstehe ein Sachschaden. Denn der Reifen gehe bei der Aktion kaputt.

Wer auf der Internetseite des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) nach dem Wort Ventilwächter sucht, kommt auf eine Seite, die Tipps gegen den Autoklau gibt. Dort wird vor dem Ventilwächter gewarnt: „Wird er nicht vor dem Start abgeschraubt, besteht für den Fahrer – genauso wie für den Dieb – Unfallgefahr.“

Reimund Elbe, Sprecher des ADAC Württemberg, sagt dazu: „Uns ist die Verkehrssicherheit sehr wichtig.“ Die Hauptforderung der Organisation lautet deshalb: „Wenn man eine solche Wegfahrsperre einsetzt, muss man extrem darauf achten, dass sie eindeutig zu erkennen ist.“ Sonst könnten sehr gefährliche Situationen entstehen. Das Fahrzeug sei mit wenig Luft im Reifen nur schwer zu steuern. Es könne zu Panikreaktionen des Fahrers kommen. Will heißen, der Autobesitzer sollte möglichst nicht damit losfahren. Laut Reimund Elbe nehme es immer mehr zu, dass Städte solche Vollstreckungsinstrumente anwenden. Der ADAC aber fordert, Ventilwächter nur „sehr punktuell“ und „in Extremfällen“ einzusetzen. Wer im Internet nach dieser Wegfahrsperre sucht, findet mehrfach ähnliche Hinweise.

Das Rad darf nicht gewechselt werden

Dort wird aber auch auf andere Nachteile des Plastikaufsatzes hingewiesen. Durch langsames Fahren könne dieser funktionslos gemacht werden, heißt es. Die Begründung: Um das Ventil zu öffnen, benötige der Ventilwächter eine ausreichend starke Zentrifugalkraft, die erst ab etwa 15 Kilometern pro Stunde erreicht werde. Man könne also ein so festgesetztes Fahrzeug durch Fahren in Schrittgeschwindigkeit durchaus fortbewegen. Diese Information bestätigt der ADAC-Sprecher jedoch nicht. „Das ist uns nicht bekannt“, sagt Elbe. Er habe bei einem Versuch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten andere Erfahrungen gemacht.

Zu der Aussage im Netz, dass Autobesitzer auch schlichtweg das Rad wechseln können, sagt der Leiter des städtischen Finanzverwaltungsamtes: „Das Rad dürfen sie nicht wechseln.“ Das mache die Situation nicht besser, sondern sei vielmehr eine Straftat. Denn das Rad sowie das Auto seien ja von der Stadt außer Funktion gesetzt.