Die Verhandlung wird am 20. November fortgesetzt. Dann soll auch ein Urteil fallen. Foto: dpa

Einem 60-Jährigen wird vorgeworfen, eine Prostituierte mit einer Waffe bedroht und ausgeraubt zu haben. Der Angeklagte und die Geschädigte erzählen sehr unterschiedliche Versionen des Tathergangs.

Stuttgart/Leinfelden-Echterdingen - Der Angeklagte trug Handschellen, als er am vergangenen Freitag in den Gerichtssaal geführt wurde. Er sitzt seit seiner Verhaftung Ende Mai in Untersuchungshaft. Vorige Woche begann am Stuttgarter Landgericht der Prozess gegen den 60-Jährigen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Tatverdächtigen vor, am 27. April eine Prostituierte mit einer Schreckschusspistole bedroht und anschließend ausgeraubt zu haben. Die Tat soll sich auf einer Wiese zwischen Echterdingen und Steinenbronn ereignet haben. Der gebürtige Backnanger leugnet die Tat. An jenem Tag war der in Österreich lebende Angeklagte berufsbedingt im Land und aß seiner Erzählung nach Linsen mit Spätzle in seinem Lieblingsrestaurant in der Innenstadt Stuttgarts.

Der Angeklagte streitet die Tat ab

Anschließend sei er mit dem Auto ins Leonhardsviertel gefahren, wo er eine Dame am Straßenrand gesehen habe. Diese habe er gefragt, wie viel sie für eine Stunde ihrer Dienste nehme. Für hundert Euro sei sie schließlich ins Auto des Angeklagten gestiegen. Gemeinsam seien die aus Ungarn stammende Prostituierte und der Angeklagte über Degerloch nach Echterdingen gefahren, um dort einen stilleren Ort aufzusuchen. Kurz nach dem Ortsende auf einer Straße nach Steinenbronn sei er dann auf einen Feldweg abgebogen und habe mit ihr auf einem Gewann „Vor dem Holz“ einvernehmlichen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt. Um sich anschließend wieder anzuziehen, habe er sich in den offenen Kofferraum gesetzt.

Dort habe seiner Erzählung nach die gesamte Zeit schon sein offener Pilotenkoffer gelegen. Dessen Inhalt war im Kofferraum verteilt worden, da der Koffer in einer Kurve umgekippt sei. Unter den Sachen befand sich eine Schreckschusspistole. Als die Prostituierte zum Kofferraum gelaufen sei, um nach ihm zu schauen, habe sie die Waffe entdeckt. Daraufhin sei sie „wie von der Tarantel gestochen“ nach vorne gerannt, habe ihre Handtasche geholt und ihr Handy rausgezogen.

Er habe ihr das Mobiltelefon aus der Hand genommen, sagte der Maschinenbauingenieur. Er habe Angst gehabt, dass sie und die Polizei die Situation missverstehen würden. Auch die Tasche habe er ihr entrissen, weil er darin ein zweites Handy vermutete. Nachdem er die Heckklappe geschlossen habe, sei er mit offener Beifahrertür und spärlich bekleidet weggefahren. Kurz vor der Autobahn habe er angehalten und die Tasche in einem Mülleimer entsorgt. Geld habe er nicht rausgenommen.

Die Geschädigte erzählt eine andere Version der Geschehnisse

Einen kleinen Waffenschein, den man zum Führen einer Schreckschusspistole braucht, besitzt der 60-Jährige nicht. Zwar darf er sie dann trotzdem besitzen, aber nicht offen bei sich tragen. Damit kommt ein weiterer Straftatbestand zur Anklage hinzu.

Die Waffe habe er nicht für sich selbst gekauft, sondern für seine Tochter. Die habe er besuchen und ihr die Schreckschusspistole geben wollen, das sei jedoch nicht zustande gekommen. Der anwesende Gutachter bestätigte, dass man mit einer solchen Waffe Menschen erhebliche Verletzungen zufügen könne.

Aus Sicht der Geschädigten hat sich der Vorfall anders geeignet. Sie sei am Abend des 27. Aprils im Leonhardsviertel auf Jobsuche gewesen, sagte die Ungarin. Auf dem Weg zur Stadtbahn habe das Auto neben ihr gehalten. Sie sei eingestiegen und nach Bezahlung mit ihm losgefahren. Am Zielort angekommen, kam es zum Geschlechtsverkehr. Die Geschädigte behauptete, sie habe ein Kondom verwenden wollen. Dies habe der Angeklagte jedoch abgelehnt. Nach dem Geschlechtsverkehr habe der Angeklagte gewartet, bis sie angezogen war.

Dann sei er zum Kofferraum gegangen. Als er sich schließlich auf den Fahrersitz gesetzt habe, soll er die 38-Jährige mit der Waffe bedroht, nach ihrer Handtasche gegriffen und sie aufgefordert haben, aus dem Auto zu steigen. Anschließend sei der Angeklagte ausschließlich mit einem Hemd bekleidet davon gefahren.

Die Geschädigte sei dann zur Straße gelaufen. Dort habe ein Autofahrer angehalten. Dieser Fahrer beschrieb in der Verhandlung, wie die Frau wild gestikulierend aus dem Gebüsch gesprungen sei. Er habe dann die Polizei gerufen.

Die Prostituierte hatte zunächst anders ausgesagt

Den eintreffenden Einsatzkräften hatte die Geschädigte zunächst eine andere Geschichte erzählt: Sie sei an der Bushaltestelle gesessen und dort ausgeraubt worden. Wenig später habe sie die Geschichte dann schon anders erzählt: Sie sei mit dem mutmaßlichen Täter per Anhalter gefahren, als dieser sie aus dem Auto schmiss und bedrohte. Erst als eine ungarisch sprechende Polizistin dazustieß, sagte die 38-Jährige aus. Dann gab sie auch die illegale Straßenprostitution zu.

Der Prozess wird am 20. November vor dem Landgericht Stuttgart fortgesetzt. In der zweiten Hauptverhandlung soll dann auch ein Urteil fallen.