Blumen sind bei einem Baumgrab nur kurz nach der Beerdigung erlaubt. Der Vorteil: Den Angehörigen wird die Grabpflege erspart. Foto: Natalie Kanter

Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, an den Wurzeln eines Baumes bestattet zu werden – so wie Lieselotte Schäfer aus Leinfelden-Echterdingen. Was spricht dafür, was dagegen?

Leinfelden-Echterdingen - Lieselotte Schäfer ist ein spontaner Mensch. Sie trifft Entscheidungen schnell – manchmal zu schnell. Dass dies auch ein Fehler sein kann, hat die Frau aus Oberaichen beim Einkaufen schon des Öfteren bemerkt. „Es kann sein, dass ich im Laden von etwas noch völlig begeistert bin, zu Hause aber gefällt es mir schon nicht mehr“, sagt sie und lacht dabei.

Anfang des Jahres aber hat die 85-Jährige eine spontane Entscheidung getroffen, die sie bisher noch nicht bereut hat. Sie ist mit einem Mitarbeiter der Stadt durch das Waldstück gelaufen, welches zum Leinfelder Waldfriedhof gehört. Und hat sich dort einen Baum ausgesucht. Eine Urne mit ihrer Asche soll dort einmal bestattet werden. „Ich wollte eigentlich einen Baum, der weiter vorne am Weg liegt“, sagt sie. „Aber die waren alle schon vergeben.“

Die Nachfrage ist ungebrochen hoch

Die Nachfrage nach Baumgräbern sei ungebrochen hoch, sagt dazu Gerd Maier, der zuständige städtische Amtsleiter, unserer Zeitung. Von 600 Grabstellen, die es auf dem Waldfriedhof gibt, sind noch 66 zu haben. Der Grund: „Hierbei handelt es sich um die einzige Bestattungsform, bei der die Grabstelle bereits zu Lebzeiten erworben werden kann“. Vor einigen Jahren hat die Stadt aufgrund der großen Nachfrage ein 32 Ar großes Stückchen Wald aus privater Hand dazu gekauft, das neben der bisherigen Baumgräber-Fläche liegt.

Lieselotte Schäfer hat sich bewusst für diese Bestattungsform entschieden. Sie will ihrem Sohn die Grabpflege ersparen. Auch wenn er diesen Dienst freilich übernommen hätte. Denn sie weiß, was es bedeutet, sich um ein Grab zu kümmern. „Mein Mann ist vor 21 Jahren gestorben“, sagt sie. Sie hat zwei Jahrzehnte lang seine letzte Ruhestätte gepflegt, nun hat sie das Grab aufgegeben. Auch weil ihr die Arbeit langsam zu viel wurde. „Viermal im Jahr gilt es, das Grab neu zu bepflanzen, und man muss laufend gießen“, sagt sie.

Eine Grabpflege ist nicht gewünscht

Bei einem Baumgrab ist das nicht notwendig. Im Gegenteil: Dieses Grab darf weder gestaltet noch gepflegt werden. Blumen und Kränze bleiben zwar nach der Trauerfeier liegen, bis sie verwelkt sind. Ansonsten sind schmucke Gewächse oder auch Gegenstände wie Herzen oder Engelsfiguren nicht erlaubt. Städtische Mitarbeiter haben ein Auge darauf, dass dies auch eingehalten wird.

An Lieselotte Schäfers Baum hängt bereits eine kleine eckige Tafel mit weißer Inschrift darauf. Diese hat die Frau vor Kurzem bei einem Spaziergang entdeckt. Die Tafel zeigt auf, dass an den Wurzeln dieses Baumes bereits die Asche einer anderen Frau bestattet wurde. Darüber hat sich die 85-Jährige zunächst gewundert: „Ich habe ja gedacht, wenn ich 3500 Euro bezahle, dann ist das mein Baum.“

Aber weit gefehlt. In jeder Himmelsrichtung können mehrere Urnen in den Boden eingesetzt werden. In der Regel gibt es pro Baum drei bis vier Grabstellen mit jeweils Platz für bis zu vier Urnen. Eine Baumgrab-Stelle kostet über 25 Jahre hinweg 3510 Euro. Die etwas andere letzte Ruhestätte ist auch sonst nicht besonders günstig. Das zeigt ein Blick in die Gebührenordnung der Stadt: Ein Urnenwahlgrab kostet in einer Urnenwand 2390 Euro und in Reihenlage 2630 Euro. Erst im Herbst 2016 hat der örtliche Gemeinderat an der Gebührenschraube gedreht. Insbesondere die Kosten für eine Urnenbestattung gingen nach oben. Das Kölner Modell wurde eingeführt, das dem Trend zur Urnenbestattung Rechnung trägt.

Zurück zu Lieselotte Schäfer: Einen Anlass für ihre Entscheidung, ein Baumgrab zu kaufen, gibt es nicht. Die noch sehr rüstige Dame ist gern unterwegs, sie ist ein sehr naturverbundener, aber auch ein realistischer Mensch. „Jeder muss einmal sterben“, sagt sie. „Das ist so. Damit muss man sich abfinden.“ Wenn sie aber einmal gehen muss, soll ihrem Sohn zumindest „kein Geschäft bleiben“.