Im Herzen ein Franzose: der Hochschullehrer Manfred Overmann Foto: privat

Der einstige Gymnasiallehrer und heutige Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg, Manfred Overmann, hat seine meist negativen Erfahrungen an einer Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen in einem Roman verarbeitet.

Ludwigsburg - Wenn Schüler keinen Respekt vor den Lehrern haben, dann macht das Unterrichten zumeist auch keinen Spaß. Und wenn man dann auch noch fachfremd unterrichten muss, wird das Leben an einer Gesamtschule zur Herausforderung. Ein Gespräch mit Manfred Overmann über seine Erlebnisse mit frechen Schülern und ignoranten Kollegen, die er in einem teils autobiografischen Roman zusammengefasst hat.

Herr Overmann, zwischen 1990 und 1995 waren Sie Lehrer an einer Gesamtschule im nordrhein-westfälischen Siegen. Ins Siegerland geht man doch nicht aus freien Stücken?
Nein, das war absolut nicht freiwillig. Eigentlich war ich ja studierter Gymnasiallehrer, aber damals wurden wir alle arbeitslos und mussten eben das nehmen, was wir kriegen konnten beziehungsweise was uns zugeteilt wurde. Und bei mir war es eben dann Siegen.
Und? Wie erging es Ihnen dort?
Es war die Hölle auf Erden. Eigentlich liebe ich das Unterrichten und bilde mir ein, ein humorvoller Mensch zu sein. Aber dadurch, dass die Schülerschar bunt gemischt war und primär aus Haupt- und einigen Realschülern bestand, war es eine schwierige Situation. Ich hatte ja zuvor noch nie mit solchen Jugendlichen gearbeitet.
In Ihrem Buch schreiben Sie, dass viele Schüler kein Benehmen an den Tag gelegt hätten.
Ja, das war auch so. Ich konnte es damals selbst kaum fassen und hätte mir das vorher auch nie vorstellen können. Aber dann kam dieser Tag, an dem einer der Schüler laut furzte. Erst habe ich es noch ignoriert, aber dann kam der nächste, und dann der nächste, andere Schüler machten mit, und irgendwann weitete sich das zu einem unerträglichen Kanon aus. Der Gestank im Klassenzimmer war unglaublich.
Und was haben Sie getan?
Ich habe die Schüler höflich darauf hingewiesen, dass das kein Benehmen sei, und man möge dies unterlassen. Aber dadurch, dass ich zuvor vier Jahre lang an einer Universität in Frankreich gelehrt hatte, fehlte mir wohl auch schlicht der passende Wortschatz für diese Schülerschar. Richtig ernst genommen haben sie mich jedenfalls nicht.
Wurden Sie denn gar nicht unterstützt vom Kollegium oder Ihrem Schulleiter?
Nein, das war ja überhaupt das Schlimme. Jegliche Strenge und auch schlechte Noten wurden von der Schulleitung unterminiert, viele meiner Kollegen haben mich außerdem nicht ernst genommen. Und eventuell war ich dann vielleicht auch einfach nicht konsequent genug und vor allem, glaube ich, in der falschen Schulform angekommen. Aber wenn ich jeden Schüler hätte aufschreiben wollen, der sich schlecht benimmt, hätte ich von 180 Schülern 90 tadeln müssen.
Was haben Sie dort unterrichtet?
Alles.
Ich dachte, Sie seien Französischlehrer.
Bin ich ja auch. Und ich dachte, ich solle dort vorwiegend in diesem Fach eingesetzt werden. Dass ich daneben fast alle anderen Fächer fachfremd lehren musste, war mir nicht klar. Dazu gehörte auch Englisch.
Konnten Sie das denn?
Eigentlich nicht so richtig. Im Abitur hatte ich damals eine Zwei, aber mein Schulleiter war der Meinung, dass Englisch nichts anderes sei als Französisch – nur mit anderen Vokabeln. Beim Sportunterricht dachte ich anfangs, ich lasse die Jungs und Mädels ein bisschen durch die Turnhalle springen. Aber auch in der Hinsicht hatte ich mich gründlich getäuscht.
Was geben Sie Ihren Studenten an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg mit auf den Weg?
So viel Rüstzeug, was die Lehrer der nächsten Jahre vor allem für die Gemeinschaftsschule brauchen, kann ich denen gar nicht mitgeben. Da kommen unglaubliche Anforderungen auf die jungen Lehrer zu, sowohl in unterrichtsmethodischer als auch in psychologischer Hinsicht. Vieles werden sie dann selbst erfahren müssen.
Sie können einem ja richtig Angst machen!
Tatsächlich sagen einige meiner Studenten: Bitte, bitte, lass mich nach dem Studium nicht auf die Gemeinschaftsschule kommen!
Und in Ludwigsburg fühlen Sie sich wohler als in Siegen?
Ja, natürlich! Die Studenten sind angenehme Menschen – auch wenn ich manchmal insgeheim zugeben muss, dass mir meine Schüler fehlen. Nur eben nicht an einer Gesamtschule, und wenn sie nicht gar so ungehobelt wären. Aber Schüler sind in gewisser Weise manchmal eben auch viel natürlicher, kritischer und spontaner als die Studenten.