Gesa Krause hat sich akribisch auf die WM vorbereitet. Foto: Baumann

Gesa Krause hat sich seit Oktober keinen freien Tag mehr gegönnt – jetzt will sie bei der WM in Doha eine Medaille.

Doha - Auch einer Perfektionistin wie Gesa Felicitas Krause kann es passieren, dass ihr ein kleiner Planungsfehler unterläuft. Vor Anstrengung gerötet sind ihre Wangen, ihre Knie jedoch schlottern vor Kälte, als sie nach dem erfolgreich bestrittenen WM-Vorlauf über 3000 Meter Hindernis die klimatisierte Interviewzone des Khalifa-Stadions von Doha betritt und selbst die erste Frage stellt: „Kann mir jemand kurz seine Jacke leihen?“

Ansonsten aber ist alles angerichtet für den Abend, der zum größten ihrer Karriere werden soll. An diesem Montag (20.50 Uhr/ZDF) geht Gesa Krause im Hindernisfinale der Leichtathletik-Weltmeisterschaften an den Start – und ist wild entschlossen, ganz vorne mitzulaufen: „Ich bin gesund, ich bin fit, ich bin perfekt vorbereitet.“

Krause ist in der Form ihres Lebens

Wenn der Eindruck nicht trügt, ist die 27 Jahre alte Sportsoldatin aus Mittelhessen in der besten Form ihres Lebens. Mit großen Problemen und schwachen Zeiten hatte Krause im vergangenen Jahr zu kämpfen, ehe sie bei den Europameisterschaften in Berlin trotzdem ihren Titel verteidigte. In dieser Saison hingegen „ist alles wunderbar gelaufen“. Beim Meeting in Zürich steigerte sie ihren Deutschen Rekord Ende August auf 9:07,51 Minuten; mit neuer Weltbestleistung über die selten gelaufenen 2000 Meter Hindernis (5:52,80) holte sie sich ein paar Tage später in Berlin zusätzliches Selbstvertrauen.

Höchste Zeit also für den großen Coup – Zeit, London endgültig zu vergessen.

Auch zur WM 2017 in der britischen Hauptstadt war Gesa Krause in prächtiger Form gereist. Doch konnte sie es nicht zeigen, da ein unverschuldeter Sturz frühzeitig alle Medaillenträume platzen ließ. Dass sie sich trotzdem aufraffte und nach einer Aufholjagd Neunte wurde, dass sie hinterher bittere Tränen vor der Fernsehkamera vergoss, verschaffte ihr zwar bis dahin nicht gekannte Popularität. Wirklich trösten konnte es sie nicht. Unbändiger Ehrgeiz gehört zu den Hauptmerkmalen des 1,67 Meter großen Leichtgewichts.

Viele Qualen und Entbehrungen

Es gibt in der deutschen Leichtathletik neben Konstanze Klosterhalfen keine andere Athletin, die so bedingungslos auf den Sport setzt und so leidensfähig ist wie Gesa Krause. In diesem Jahr haben sie und ihr langjähriger Coach, der knüppelharte frühere DDR-Trainer Wolfgang Heinig (68), noch einmal eine Schippe draufgelegt. Viele Wochen haben sie gemeinsam in weit entlegenen Höhentrainingslagern in Kenia, Südafrika, den USA und der Schweiz verbracht und ein mörderisches Pensum absolviert. Kein Weg ist ihnen zu weit gewesen: Als kurz vor der WM das Wetter in Davos zu schlecht wurde, siedelten die beiden kurzfristig noch einmal nach Südafrika um.

Seit Ende Oktober hat Gesa Krause keinen einzigen freien Tag mehr gehabt. „Das ist für einen Außenstehenden vermutlich unvorstellbar“, sagt Krause. Ihr selbst jedoch bereiten die vielen Qualen und Entbehrungen keinerlei Probleme mehr. Im Gegenteil: „Ich hatte viele Jahre großen Respekt vor den Schmerzen im Training, aber mittlerweile freue ich mich auf die harten Tempoeinheiten.“

Der Traum von einer Medaille

Das einzige Problem ist nun: Die Frauen in der Hindernislauf-Weltspitze sind so dicht beieinander wie in wenigen anderen Disziplinen. Mit ihrem Fabelweltrekord von 8:44,32 Minuten geht die Kenianerin Beatrice Chepkoech im WM-Finale als Favoritin ins Rennen. In ihren Landsfrauen Hyvin Kiyeng, Celliphine Chespol und der für Bahrain startenden Winfried Mutile Yavi sowie Titelverteidigerin Emma Coburn aus den USA gibt es neben Chepkoech vier weitere Frauen, die in dieser Saison noch schneller waren als Krause. „Es wird ein sehr schnelles Rennen“, ahnt die Deutsche: „Ich muss an mein Limit gehen und darüber hinaus. Dass ich von einer Medaille träume, ist klar.“

Wenn es nicht klappt, bleibt Gesa Krause immerhin ein Trost: Bis zu den Olympischen Spielen in Tokio sind es nur noch zehn Monate. Nach zehn Tagen Erholung in Griechenland, wird sie daher mit ihrem Coach schon wieder ins nächste Trainingslager fliegen. Diesmal nach Boulder in den Rocky Mountains.