Der frühere IAAF-Vizepräsident Helmut Digel zeichnet im Interview ein erschreckendes Bild vom Weltverband IAAF und besonders von Ex-Chef Lamine Diack.
Stuttgart – - Herr Digel, Erpressung, Vertuschung und Betrug sollen ebenso zur Leichtathletik gehört haben, wie hartes Training. Haben Sie dies als ehemaliges Mitglied der IAAF erwartet?
Gerüchte, was die Praktiken in Russland, Kenia und in der Türkei betrifft, gab es schon seit mehreren Jahren. Anders verhält es sich mit unserem Ex-Präsidenten Lamine Diack. Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn erhärten, wäre das eine Bankrotterklärung. Ich hätte es mir nie vorstellen können, dass jemand, der zu den führenden Figuren des Weltsports zählt, solche Verfehlungen duldet oder gar selbst verantwortet. Nach dem lange überfälligen Wada-Report ist es nun wichtig, dass die nächsten Schritte schnell eingeleitet werden. Die Sportgerichtsbarkeit ist in diesem Fall kaum ausreichend.
Sie waren unter Diack zwischen 2001 und 2007 Vizepräsident der IAAF und kennen ihn, oder?
Er ist ein Mann mit ausgeprägtem Macht-Instinkt. Er hat verhindert, dass ich weiter Vizepräsident bleibe. Mir wurde damals bewusst, dass Moral für ihn nur von nachgeordneter Bedeutung ist.
Sebastian Coe war bis zur seiner Ernennung als Präsident ebenfalls Diacks Stellvertreter. Kann er sauberen Sport garantieren?
Im Hauptquartier des Weltverbands wusste meines Wissens so gut wie keiner etwas von den Vorgängen. Auch im Council, in dem ich saß, war das nie ein Thema. Deshalb glaube ich nicht, dass Coe involviert ist. Seine Aufgabe ist es, nun deutlich zu machen, dass er es mit dem Anti- Doping-Kampf ernst meint.