Nach einer Wadenverletzung in der wichtigsten Vorbereitungsphase der Saison fehlte es Felix Franz im EM-Vorlauf an Form und Tempohärte. Foto: Baumann

Nach zwei verkorksten Jahren und dem bitteren EM-Aus plagen Leichtathlet Felix Franz große Sorgen – sportlich und finanziell. Weil zudem der Traum von Olympia geplatzt ist, denkt er nun sogar an das Ende der Karriere.

Amsterdam - Eine Leichtathletik-EM schreibt schöne Geschichten – von strahlenden Siegern, unerwarteten Erfolgen, geglückten Comebacks. Aber es gibt auch die andere Seite: die bittere, enttäuschende, frustrierende. In den Augen von Felix Franz spiegelten sich genau diese Emotionen nach dem EM-Aus im Vorlauf über 400 Meter Hürden wider. Bitternis, Enttäuschung, Frust. Und auch die Sorge vor einer Zukunft voller Hindernisse: „Wie es bei mir weitergeht? Ich habe keine Ahnung!“

Felix Franz ist ein intelligenter junger Mann. Er ist eloquent, studiert Verfahrenstechnik in Stuttgart. Und der Bietigheimer ist auch ein hochtalentierter Athlet. Wenn er am Ende eines Trainings barfuß und mit freiem Oberkörper noch ein paar Längen über den Rasen des Stadions Festwiese im Neckarpark sprintet, ist das Ästhetik pur. Raumgreifende Schritte, aufrechte Haltung, das perfekte Zusammenspiel der Muskeln – kein Wunder, dass Chefbundestrainer Idriss Gonschinska den 23-Jährigen auf der Rechnung hat: „Er besitzt ein enorm hohes Potenzial. Wenn er sich weiter so entwickelt, kann er bei der EM 2018 richtig stark sein.“

Die EM 2018 in Berlin? Oder gar die Olympischen Spiele 2020 in Tokio? Wer Felix Franz in Amsterdam mit diesen Daten kam, erhielt als Antwort nur einen müden Blick. Ein Leichtathlet ist es zwar gewohnt, in Vier-Jahres-Zyklen zu denken. Aber nicht zu jeder Zeit. Nicht, wenn gerade erst der Traum von den Olympischen Spielen in Rio geplatzt ist. „Ich habe so viel trainiert wie nie und alles schleifen lassen, egal ob Studium oder Freundschaften. Und ich habe extrem viel investiert in Trainingslager und medizinische Betreuung“, sagt Felix Franz, „jetzt bin ich total leer.“ Weil er sich bis zuletzt Hoffnungen gemacht hat, doch noch die Kurve zu kratzen.

Ein Faserriss im schlimmsten Moment

2014, da lief noch alles zusammen bei dem Bietigheimer. Bei der EM in Zürich schaffte er in 48,96 Sekunden eine neue Bestzeit und wurde Fünfter (hinter zwei Russen mit völlig unglaubwürdiger Leistungsentwicklung). Franz wusste, dass er – was Rio 2016 angeht – voll im Plan liegt. Erste Zweifel kamen auf, als die nächste Saison in die Hose ging. Wegen einer hartnäckigen Virusinfektion lag er zwei Monate im Bett, verlor zehn seiner 78 Kilogramm. Und kam trotzdem wieder auf die Beine. Franz arbeitete hart wie nie, seine Form im Trainingslager vor drei Monaten in Südafrika war besser denn je. Beim Blick auf die Stoppuhr jubelte er innerlich, in der Regel lief er eine halbe Sekunde schneller als zum selben Zeitpunkt der Saison 2014. Ihm war klar: Wenn er gesund bleibt, ist eine Steigerung auf 48,50 Sekunden möglich. Eine Weltklasse-Zeit. Und das sichere Ticket nach Brasilien. Dann riss eine Muskelfaser in seiner Wade.

Statt weiter an der Form zu arbeiten, lag er auf der Bank des Physiotherapeuten. Fünf Wochen fiel Franz in der wichtigsten Vorbereitungsphase der Saison aus – das ist nicht zu verkraften. Normalerweise. Doch der Bietigheimer gab nicht auf. Noch nicht. Vier Wochen vor der DM konnte er zu joggen beginnen, in Kassel holte er den Titel. Obwohl ihm eine knappe halbe Sekunde zur EM-Norm fehlte, nahm Bundestrainer Gonschinska ihn mit nach Amsterdam: „Ich glaube, dass er dort noch deutlich schneller laufen kann als bei seinem DM-Sieg.“ So kann man sich irren.

Franz kam mit den Windverhältnissen nicht zurecht, an der letzten Hürde verlor er seinen Vorlauf. Und nach den schwachen 51,21 Sekunden auch ein bisschen den Glauben an sich selbst. „Letztlich fehlt es einfach an Form, Tempohärte und Hürdentechnik, was nach der Vorgeschichte nicht verwunderlich ist“, sagt er, „jetzt habe ich, nachdem ich zwei Jahre nichts reißen konnte, ein großes Problem.“

Franz hätte sich eine bessere Verhandlungsposition gewünscht

Sportlich, weil vier Jahre bis Tokio zu lange sind, um einfach zu sagen: Hoppla, das gehe ich einfach mal an. Aber auch finanziell. Schon bisher lebte Franz von der Hand in den Mund, nun laufen im September alle Verträge aus. Er hatte gehofft, dank eines tollen Olympia-Ergebnisses in einer guten Verhandlungsposition zu sein, stattdessen muss er seinen Sponsoren und seinem Verein LG Neckar-Enz erklären, warum er außer dem DM-Titel 2016 zwei Jahre lang nichts zustande gebracht hat. Sicher ist ihm nur die Unterstützung der Sporthilfe. 200 Euro im Monat. Das deckt nicht einmal die Miete. „Ich muss ja von irgendetwas leben“, erklärt Franz, „was die Rahmenbedingungen angeht, liegt in der Leichtathletik zwischen Wollen und Können oft eine große Distanz.“

Bei diesen Worten geht es ausnahmsweise nicht um die großen Themen wie Doping oder Kontrollsysteme oder Korruption. Sondern um den Alltag eines 400-Meter-Hürdenläufers, der zwar hochtalentiert ist, aber eben kein Star der Szene. Und möglicherweise schon bald kein Leichtathlet mehr.