Die Kugelstoßerin Alina Kenzel vom VfB Stuttgart spricht über ihre erfolgreiche EM, die kommende WM und den Aufschwung der Sportart.
Bei den Leichtathletik Hallen-Europameisterschaften am vergangenen Wochenende im niederländischen Apeldoorn hat die Kugelstoßerin Alina Kenzel vom VfB Stuttgart mit neuer persönlicher Bestmarke den sechsten Rang erreicht. Die 27-jährige Olympia-Neunte von Paris hat sich über die Weite „riesig gefreut“, wie sie sagt, und dadurch neue Motivation für die Freiluftsaison geschöpft.
Frau Kenzel, belohnen Sie sich für die neue Bestmarke und EM-Platz sechs oder geht der Trainingsalltag weiter, als ob nichts gewesen wäre?
Die Hallensaison ist für mich nun beendet, ich mache eine Woche Pause, unternehme einen Kurztrip. Danach geht es wieder mit dem Trainingsaufbau los, wobei eher technische Sachen im Vordergrund stehen und nicht die Maximalkraft oder das Angleiten.
Wie oft haben Sie sich ihren Stoß auf die 18,89 Meter angeschaut?
Ich habe mir den kompletten Wettkampf noch mal angeschaut und mich erneut riesig über den ganzen Wettkampf und meine Verbesserung gefreut. Auch deshalb, weil meine Trainer fest an mich geglaubt haben und ich ihnen durch den starken Wettkampf das Vertrauen zurückgeben konnte. Ich hatte dieses Jahr etwas Probleme, in den Flow zu kommen, und war dann überrascht, dass es bei der EM so gut geklappt hat.
Sie haben Ihre persönliche Bestleistung in der Halle damit um satte 39 Zentimeter verbessert. Worin sehen Sie den Schlüssel zur Steigerung?
Nachdem ich aufgrund meiner Corona-Erkrankung insgesamt fast zwei Jahre raus war, dabei ein Jahr gar keinen Sport machen konnte, ein Jahr benötigte, um wieder auf die Beine zu kommen und in der vergangenen Saison erst wieder richtig trainieren konnte, war es wichtig, meine Stärken und Schwächen herauszufinden und wichtig, neue Sachen auszuprobieren, um die Weite bringen zu können. So habe ich beispielsweise mit schweren Kugeln gestoßen, um auszuloten, wie mein Nervensystem darauf reagiert, ob es dadurch angeregt wird. In diesem Bereich mussten wir ansetzen, um die 19er-Marke anzupeilen.
Ist in der Freiluft-Saison die 19-Meter-Marke zu knacken?
Ja, das haben ich und meine Trainer uns vorgenommen. Wir versuchen alte Trainingsbarrieren aufzubrechen, um dies zu erreichen. Die EM-Weite war schon ein guter Schritt dahin.
Und das Ziel für die Weltmeisterschaften im September in Tokio?
Klar, beim Saisonhöhepunkt möchte ich die Marke knacken. Ich kann mich auf die WM nun gut vorbereiten, der Qualifikationsdruck ist weg. Die Direktnorm für Tokio liegt bei 18,80 Meter, und die habe ich ja übertroffen. Ich peile die Finalteilnahme an, eine Medaille wäre bei dem aktuell sehr hohen Niveau eine große Überraschung – es kommen ja auch noch die guten Kugelstoßerinnen aus Übersee dazu. Ich denke, 20 Meter muss man dafür schon bringen.
Wie gut hat ihrem Sport der Olympiasieg der Mannheimerin Yemisi Ogunleye in Paris 2024 getan?
Die Goldmedaille war buchstäblich goldwert für unseren Sport. Der Wurfbereich rückt nach dem Olympiasieg von Yemisi immer mehr ins Rampenlicht. Das haben wir uns verdient.
Nehmen Sie die erhöhte Aufmerksamkeit tatsächlich auch wahr?
Auf jeden Fall. Kugelstoßen ist jetzt bei größeren Hallenmeetings, beispielsweise dem Istaf in Berlin, im Programm aufgenommen worden. Das war in der Vergangenheit ganz selten der Fall. Ich hoffe, das bleibt so.