Bald sollen Lehrkräfte im Südwesten nur noch begründet weniger als 75 Prozent arbeiten dürfen (Symbolbild). Foto: IMAGO/Sylvio Dittrich

Trotz des Lehrermangels arbeiten mehr als 56 Prozent der Lehrkräfte im Südwesten in Teilzeit. Kultusministerin Schopper will das Recht auf Teilzeit nun einschränken. Was sit im Detail geplant und welche Ausnahmen gelten?

Das Land Baden-Württemberg wagt sich im Kampf gegen den Lehrermangel an Schulen an eine „heilige Kuh“: Bald sollen Lehrkräfte nur noch begründet weniger als 75 Prozent arbeiten dürfen. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) will das Teilzeitmodell vom Schuljahr 2024/2025 an einschränken. Das bestätigte das Ministerium am Freitag.

Ausnahmen sind demzufolge dann Elternzeit, familiäre Gründe und Pflegezeit. Zuerst hatte der Südwestrundfunk aus dem Entwurf des Ministeriums zitiert. Geplant ist ein bereits in der grün-schwarzen Koalition abgestimmtes Paket aus fast 18 Punkten.

Was bald für ein Sabbatjahr gilt

Schopper will noch an einer weiteren Schraube drehen: Der Antrag für ein sogenanntes Sabbatjahr soll künftig erst nach fünf Jahren im Dienst gewährt werden. Ein Antrag für ein weiteres Freistellungsjahr soll dann wieder erst nach fünf Jahren erlaubt sein. Den Angaben zufolge sind im laufenden Schuljahr mehr als 900 Sabbaticals genehmigt.

Trotz des deutlichen Personalmangels an den Schulen entscheiden sich laut Statistischem Landesamt immer mehr Lehrerinnen und Lehrer für Teilzeit. Im Schuljahr 2021/2022 arbeiteten knapp 56,6 Prozent und somit mehr als die Hälfte der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nicht voll.

Was sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dazu?

Deshalb erleidet Schopper bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft auch Schiffbruch: „Die Landesregierung hat nicht erkannt, dass sich der Arbeitsmarkt verändert und sie attraktive Arbeitsplätze insbesondere für die Generation Z anbieten muss“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein am Freitag in Freiburg. Folge der Pläne sei, dass sich noch weniger junge Menschen für den Arbeitsplatz Schule entscheiden. „Das sind zwei Schritte zurück. Neue Qualifizierungsangebote für den Quereinstieg oder mehr Leitungszeit an Ganztagsschulen sind dagegen nur ein kleiner Schritt vorwärts.“

Eine Überraschung ist die Entscheidung des Ministeriums allerdings nicht. Schopper hatte sich nie als Anhängerin der Teilzeit-Option gezeigt. Vor einer Woche bezeichnete sie die Regelungen für Lehrerinnen und Lehrer noch als komfortabel. Das sei in der Lebensrealität vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht üblich. Auch werde der öffentliche Druck größer.

Lehrermangel soll als dienstlicher Grund gelten

Landesbeamte haben in Baden-Württemberg bislang grundsätzlich Anspruch darauf, in Teilzeit bis zu 50 Prozent zu arbeiten. Ein Antrag auf Teilzeit kann nur abgelehnt werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dem entgegenstehen. Der Lehrermangel soll nun als dienstlicher Grund gelten, das Beamtengesetz muss dafür nicht geändert werden. Mithilfe eines Erlasses gebe man nun die Richtlinie vor, wer weniger als 75 Prozent arbeiten darf, erläuterte Schopper.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte vergangenes Jahr bereits einen Vorstoß für eine eingeschränkte Teilzeit von Lehrern gemacht, diesen aber wieder zurückgezogen. Lehrerverbände hatten das Vorhaben scharf kritisiert. Erst vor rund einer Woche hatte Kultusministerin Schopper die Teilzeit-Regelungen für Lehrkräfte als „komfortabel“ bezeichnet.

Hans-Ulrich Rülke: Landesregierung habe Versprechen gebrochen

SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei bezeichnete die Entscheidung des Kultusministeriums als „Eingeständnis katastrophaler Zustände nach jahrelanger grüner Sparwut und gescheiterter Personalplanung“. Die Situation an den Schulen könne nun sogar noch schlimmer werden.

Die Landesregierung habe damit ein Versprechen gebrochen, warf ihr der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke vor. „Mitte letzten Jahres sicherte die Landesregierung noch zu, man werde die Idee der Einschränkung von Lehrerteilzeit nach entsprechender Prüfung nicht weiterverfolgen“, sagte Rülke. „Jetzt soll das Problem auf dem Rücken der Lehrkräfte gelöst werden - und die Schülerinnen und Schüler haben am Ende den Schaden.“