Kürzungen machen den Schulen zu schaffen Foto: dpa

An den Schulen in Baden-Württemberg gibt es deutlich mehr Schüler als vorausgesagt. Das erschwert den Abbau von Lehrerstellen.

Stuttgart - Wie viele Lehrer braucht das Land? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Deutlich weniger, forderte der Landesrechnungshof im Sommer 2012, und die grün-rote Regierungskoalition ist dieser Forderung auch eilig gefolgt. 11 600 Lehrerstellen sollen bis 2020 wegfallen. Denn darf sie keine neuen Schulden mehr machen – und das geht nur, wenn das Land auch Stellen abbaut. Wenn die Landesregierung auch nur einen Teil ihrer bildungspolitischen Reformen wie den Ausbau der Ganztagsschulen und die Inklusion, den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen umsetzen will, dann dürften vorerst keine Stellen gestrichen werden, warnen hingegen Eltern und Lehrer.

Klar ist, dass der Abbau, der in diesem Jahr mit 1000 Stellen begonnen hat, schwierig wird. Denn die Schülerzahlen, von denen der Landesrechnungshof ausging, weichen deutlich von der Realität ab. So war das Statistische Landesamt 2009 in seiner Vorausrechnung für das Schuljahr 2012/13 von 1 144 300 Millionen Schülern an allgemeinbildenden Schulen ausgegangen, tatsächlich waren es aber 14  243 Schüler mehr. Auch an den beruflichen Schulen lag die Zahl der Schüler mit 421 149 um 22 000 Schüler höher als erwartet. In diesem Jahr dürften die Abweichungen noch größer sein. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor.

Bildungspolitik von Grün-Rot zeigt Wirkung

Die Gründe für die Differenzen sind vielfältig. Je weiter die Berechnungen zurückliegen, desto größer werden die Unterschiede in der Regel. Das liegt daran, dass das Statistische Landesamt bei seinen Vorausrechnungen gleichbleibende Entwicklungen zugrundelegt. Es ging beispielsweise davon aus, dass der Anteil der Viertklässler, die 2009 zum Gymnasium, zur Realschule oder zur Hauptschule/Werkrealschule wechselte, auch in den Jahren danach konstant bleiben würde. Die Statistiker wissen zwar, dass das nicht der Fall ist. „Die Ungenauigkeiten wären noch größer, wenn wir mögliche Trends miteinberechnen würden, sagte Rainer Wolf, Referatsleiter Bildung und Kultur im Statistischen Landesamt.

Aber auch die Bildungspolitik von Grün-Rot zeigt Wirkung. So haben durch die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/13 die Hauptschulen/Werkrealschulen dramatisch Schüler eingebüßt. Statt der erwarteten 148 700 Schüler waren es dort im vergangenen Jahr über 7200 Schüler weniger, an den Gymnasien hingegen lag die Schülerzahl um rund 12 750 höher als eingeplant.

Noch größer als an den allgemeinbildenden Schulen sind die Abweichungen an den beruflichen Schulen. An den Vollzeitschulen wie Berufsfachschulen, Kollegs und beruflichen Gymnasien hatte das Statistische Landesamt 2009 ein Minus von fast 20 000 Schülern erwartet, tatsächlich waren es im vergangenen Jahr aber lediglich 800 Schüler weniger. Denn Grün-Rot hatte, wie auch schon die schwarz-gelbe Vorgängerregierung, an den beruflichen Gymnasien zusätzliche Klassen eingerichtet, so dass weniger Schüler abgewiesen wurden.

2014 geht es dann an die Lehrerarbeitszeit

Eigentlich wären längst neue Berechnungen fällig. Doch die Zeit dafür ist ungünstig – denn vieles ist in Bewegung. Momentan müsste das Statistische Landesamt mit Zahlen rechnen, die eigentlich veraltet sind. Bei der Volkszählung 2011 hatte sich nämlich herausgestellt, dass die bisherigen Bevölkerungszahlen nicht mehr stimmen. Doch es wird noch einige Monate dauern, bis die Statistiker genau wissen, wie viele Schüler jetzt und in den nächsten Jahren im Südwesten leben. Noch schwieriger dürfte es sein, zu bestimmen, welche schulischen Wege die heutigen Kindergartenkinder und Grundschüler wohl wählen. Mit der neuen Gemeinschaftsschule, die alles vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur bietet, nehmen die Wahlmöglichkeiten weiter zu.

Dem Kultusministerium machen diese Unsicherheiten schwer zu schaffen. Die 11 600 abzubauenden Lehrerstellen sollen eigentlich aus der so genannten demografischen Rendite, also dem Schülerrückgang kommen. Der Landesrechnungshof hatte die Landesregierung sogar aufgefordert, rund 14 000 Stellen zu streichen, bei seinen Berechnungen aber viele Veränderungen außer Acht gelassen, etwa die Senkung des Klassenteilers, die Verlängerung des Grundschulunterrichts oder den Ausbau der Ganztagsschulen. Und natürlich, dass die Schülerzahlen langsamer sinken als erwartet.

Deshalb muss das Kultusministerium die Stellen auf andere Weise einsparen. In diesem Jahr beispielsweise durch Kürzungen bei den Ermäßigungsstunden für Extraaufgaben von Lehrern. 2014 geht es dann an die Lehrerarbeitszeit. So sollen durch die Verschiebung der Altersermäßigung um zwei Jahre im kommenden Jahr etwa 400 von 1000 Stellen eingespart werden.