Haus in bester Stuttgarter Lage: Das frühere Domizil des Künstlers Otto Herbert Hajek Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Das frühere Wohnhaus und das Atelier des 2005 verstorbenen Künstlers Otto Herbert Hajek sind markante Bauten auf dem Hasenberg in Stuttgart. Sie stehen schon lang leer. Stadt und Eigentümer streiten um Denkmalschutzauflagen – jetzt auch vor dem Verwaltungsgericht.

Stuttgart - Eine Baustelle – so stellt sich die Villa Hajek in der Hasenbergsteige 65 heute dar. Der Betrachter erkennt allerdings nicht, ob hier etwas auf- oder abgebaut wird. In jedem Fall liefert die Villa Gesprächsstoff und ist neuerdings sogar Gegenstand eines Rechtsstreits. Die Stadt verlangt vom jetzigen Eigentümer, bauliche Veränderungen rückgängig zu machen. Der wehrt sich mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Seine Bekanntheit verdankt das 1921 erbaute Haus dem Bildhauer und Maler Otto Herbert Hajek, der dort ab 1967 lebte, arbeitete und unter anderem als Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes (1972-1979) wirkte. Die Kanzler Willy Brandt und Gerhard Schröder waren häufig zu Gast, auch der jüngst verstorbene Ex-Bundespräsident Walter Scheel. Markant ist das Gebäude in jeder Hinsicht. Der Stuttgarter Architekt Roland Ostertag, der sich vehement für den Erhalt einsetzt, nennt es eine „einmalige Farbschachtel“ – Hajek drückte dem Gebäude seinen Farb-Stempel auf, überhaupt dieser Stadt: Hajek-Skulpturen stehen beim Hauptbahnhof, Fernsehturm, vor der Liederhalle, auf dem Waldfriedhof. Das Leuze kann als Hajek-Gesamtkunstwerk gelten.

Mit Tod des Künstlers endet die vitale Geschichte des Hauses

Die vitale Geschichte der Villa reißt ab mit dem Tod des Künstlers 2005. Seitdem ist das Anwesen viel diskutiert und umstritten – innerhalb der Familie, aber auch darüber hinaus. Anders als seine vier Schwestern verfolgte Urban Hajek, der Sohn, nach eigenen Worten Pläne, das Haus „im Sinne des Vaters und meiner 2011 verstorbenen Mutter zu einem Künstlertreff zu machen“.

Entscheidendes Hindernis seien strikte Auflagen der Denkmalschutzbehörde gewesen, die soweit gingen, dass ein 40 Jahre alter Teppichboden erhalten bleiben sollte. Zeitweilig erwog die Mutter nach Aussagen des Sohnes, ihren 50-Prozent-Anteil am Haus der Stadt zu schenken, nachdem Otto Herbert Hajek der Stadt schon einen beträchtlichen Teil seiner künstlerischen Arbeiten überlassen hatte. Doch die Stadt lehnte ein Engagement ab. Versuche, das Gebäude mit Atelieranbau und parkähnlichem Garten (27 Ar) zu verkaufen, zogen sich hin. Als Kaufpreis war eine Summe von 2,3 Millionen Euro aufgerufen. Den Zuschlag erhielt am Ende Markus Benz, Chef des Polstermöbelherstellers Walter Knoll (Herrenberg), der große Pläne hegte. Das Atelier sollte Denkwerkstatt für Benz und kreative Geschäftspartner werden. Aus der Villa wollte er ein Wohn- und Arbeitshaus machen, das den früheren Geist aufnimmt. „Wir wollen ein Bekenntnis zu Hajek ablegen“, sagte Benz anlässlich des Kaufs im März 2011.

Im Juni ist Klage gegen die Stadt eingereicht worden

Fünf Jahre später steht die Villa immer noch leer, und vom früheren Geist ist nicht mehr viel zu spüren. Im Gegenteil, der Zustand lässt vermuten, eine Geschichte gehe zu Ende: eingeschlagene Fenster, abfallende Schindeln, Graffiti an den Wänden. Gravierend sind die Veränderungen im Inneren. 2013 verschwanden unter den neuen Besitzverhältnissen Teile der Ausstattung – einschließlich mehrerer Wände. Im selben Jahr schritt die Stadt als Untere Denkmalschutzbehörde ein. Eine Besichtigung ergab „nicht geringe bauliche Veränderungen, die nicht unbedingt mit den Auflagen übereinstimmen“, erinnert sich Herbert Medek von der städtischen Denkmalbehörde. Die Stadt erließ eine Rückbauverfügung, der Benz bei der Oberen Denkmalschutzbehörde widersprach. Im Mai 2016 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch zurück, worauf Benz am 16. Juni Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegen die Stadt einreichte.

Jetzt würden die unterschiedlichen Positionen, die sich bisher nicht hätten vermitteln lassen, auf einer anderen Ebene ausgehandelt, sagt er. Die Vorwürfe gibt Benz zurück. Vor dem Kauf habe er seine Absichten der Familie und dem Denkmalschutz klar dargelegt, später nie geändert. Aber: „Nach der Unterschrift unter den Vertrag rührte der Denkmalschutz Beton an. Plötzlich war nichts mehr disponibel, alles eine Pflichtaufgabe zur Erhaltung“ – mal abgesehen vom Teppichboden und der gelben Holzverkleidung in der Küche. Zur „Erkundung der Substanz“ habe er zwar Putz beseitigt und Wandfüllungen zwischen Balken herausgenommen, räumt Benz ein. Das ließe sich aber leicht wiederherstellen. Tragende oder denkmalgeschützte Wände im engeren Sinne habe er nicht beseitigt. Benz: „Das Haus ist nicht wegen der Architektur oder der Bausubstanz denkmalgeschützt, sondern als Ganzes, weil Hajek darin wirkte.“

Auch der Eigentümer schließt Abriss nicht aus

Urban Hajek lässt das Schicksal der Villa nicht ruhen. Er fühlt sich „von der Stadt und dem Denkmalamt betrogen“. Ihm gehe es nicht um finanzielle Nachforderungen, versichert er. „Erste Priorität muss es sein, das Haus zu erhalten und das Ansehen des Künstlers zu wahren.“ Mit jedem Winter werde die Sanierung wirtschaftlich unzumutbarer. Am Ende stünde wohl der Abriss.

Das könne sein, sagt Benz, es müsse aber nicht so enden, wenn er die Villa zu einem zeitgemäßen Wohnhaus mit Firmenrepräsentanz entwickeln dürfe. Dafür möchte er das Atelier mit großflächiger Verglasung zum Tal hin für Licht und Durchblicke öffnen, aber auch im Bereich der Fenster in der Villa ansetzen: „Ich will das Haus beheizen, nicht den Hasenberg.“ Dürfe das Haus nicht zukunftsfähig gemacht werden, „kann der Abriss drohen“, sagt der Eigentümer.

Das Anwesen gilt als wichtig

Die Bedeutung des Hauses ist weithin anerkannt. Der verstorbene Kunstkritiker Günther Wirth hatte 1999 für ein „Kunst-Areal Otto Herbert Hajek“ plädiert: „Das wäre eine kulturelle Tat von Bedeutung.“ Benz sieht es 17 Jahre später etwas anders. Alle Kunstwerke seien von der Familie mitgenommen worden. Ihm bleibe die Hülle, die er im respektvollen Umgang erhalten wolle, wo sie einsehbar ist. Da die öffentliche Hand das Anwesen nicht haben wollte, solle sie nun mittragen, was für einen Privateigentümer machbar sei. „Eine museumsgerechte Sanierung kann ich nicht leisten.“

Person und Werk

Hajek wurde 1927 in Böhmen geboren, 1947 und 1954 an der Kunstakademie Stuttgart zum Bildhauer ausgebildet. 1967 zog er in die Villa an der Hasenbergsteige. Mit seiner Frau Katja hatte er vier Töchter und einen Sohn. 2005 starb er.

Im Atelieranbau der Villa auf dem Hasenberg schuf Hajek berühmte Kunstwerke, die heute als Mahnmale für Toleranz auf der ganzen Welt stehen. Gleichzeitig diente das Anwesen als Treff für zahlreiche Intellektuelle, Künstler und Politiker. Sein Verhältnis zur Stadt war über Jahrzehnte eher reserviert.