Protest gegen Leerstand von Wohnungen in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Nach dem Willen der Stadt soll die Verantwortung im Kampf gegen Leerstand künftig beim Land liegen. Trotzdem will die Verwaltung das entsprechende Gesetz verschärfen.

Stuttgart - Während die Stadt Stuttgart erklärt, man wolle leer stehende Wohnungen lediglich so rasch wie möglich wieder auf den Markt bringen, sprechen Vertreter von Hausbesitzern von geplanter Enteignung. Die Forderungen der Stadtverwaltung zur Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots haben heftigen Ärger ausgelöst.

Das Gesetz ist eine Art Notstandsgesetz – es gilt maximal fünf Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit muss die Landesregierung berichten, wie sich das Gesetz, mit dem Kommunen unter anderem gegen Leerstand und illegale Ferienwohnungen vorgehen können, bewährt hat. Im Rahmen dieser Befragung haben die Städte in Baden-Württemberg, in denen das Zweckentfremdungsverbot angewendet wird, Vorschläge zur Verbesserung des Gesetzes gemacht.

Das Papier mit diesen Forderungen liegt unserer Zeitung exklusiv vor. Darin fordert die Landeshauptstadt als einzige Kommune, dass Kommunen künftig ein „Zugriffsrecht auf zweckentfremdete Wohnungen“ haben sollen. Das bedeutet, dass Wohnungen, die ohne Grund leer stehen, unter kommunale Kontrolle gebracht werden sollen. Aus dem Rathaus heißt es dazu, ein Zugriffsrecht würde es Städten ermöglichen, leere Wohnungen unterzuvermieten, sollte sich der Eigentümer weigern, seine Immobilie dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Bislang könne die Kommune lediglich Bußgelder verhängen, heißt es dazu aus dem Städtebaureferat der Landeshauptstadt. Und: Es könnte effektiver sein, mit einem Zugriffsrecht zu arbeiten.

Von den fünf Kommunen, die das Gesetz im Südwesten eingeführt haben (neben Stuttgart sind das Konstanz, Freiburg, Tübingen und Heidelberg), erhebt nur Stuttgart eine entsprechende Forderung. Das löst bei Hausbesitzern Empörung aus. „Das wäre aus meiner Sicht eiskalte Enteignung“, sagt der Geschäftsführer von Haus und Grund Württemberg, Ottmar Wernicke. Und: „Das Rathaus will bei diesem Thema offenbar vom eigenen Versagen ablenken.“ Die Stadt steht in Sachen Zweckentfremdungsverbot in der Kritik, da die Verwaltung für die komplexe Durchsetzung der Satzung lediglich drei Stellen geschaffen hat. Zum Vergleich: In München kümmern sich knapp 40 Mitarbeiter um die Verfolgung von Leerstand.

Stadt will Veranstwortung ans Land übergeben

Zudem gibt es eine weitere Forderung, die allein aus Stuttgart kommt. Während sich Tübingen, Freiburg und Konstanz für eine Weiterführung des Zweckentfremdungsverbots in der bisherigen Form aussprechen, will Stuttgart die Verantwortung im Kampf gegen Leerstand ans Land abgeben. In dem internen Schreiben aus dem Wirtschaftsministerium heißt es: „Stuttgart spricht sich für eine landesweite Geltung kraft Landesrecht aus.“ Aus dem Rathaus heißt es dazu: „Es gibt ja bereits ein Landesgesetz. Dieses ist aber so konzipiert, dass man zusätzlich eine kommunale Satzung braucht.“ Daher habe man überlegt, ob man die Rechtsfolge bei der Genehmigung einer Zweckentfremdung direkt ans Landesrecht knüpfen könne. Haus-und-Grund-Chef Wernicke versteht diese Idee so: „Die Stadt will Geld sparen und die Verantwortung für die Kontrolle des Gesetzes abschieben.“

Zur Erklärung: das Gesetz gegen Leerstand galt Anfang der 2000er Jahre unter Schwarz-Gelb im gesamten Südwesten als Landesgesetz. Wernicke: „Damals musste das Land den Städten Geld geben, damit diese das Gesetz durchsetzen und kontrollieren konnten.“ Die Mitarbeiter, die heute beim Baurechtsamt für die Kontrolle des Zweckentfremdungsverbots verantwortlich sind, müssen hingegen allein aus der Stadtkasse bezahlt werden.

Beim Thema Personal ist Stuttgart aber landesweit bei Weitem nicht das Schlusslicht. In Heidelberg wurde lediglich eine 50-Prozent-Stelle geschaffen, mit der die Stadt gegen Leerstand und illegale Ferienwohnungen vorgeht. Den Personalaufwand will Heidelberg nun auch nicht weiter aufstocken. Die dortige Stadtverwaltung fordert jedoch, dass das Zweckentfremdungsverbot nicht mehr weiter in Baden-Württemberg gelten soll. Auch das geht aus dem Schreiben des Wirtschaftsministeriums hervor.