Veränderung kann Türen öffnen, Chancen bieten Foto:  

Es ist wichtig, immer mal wieder etwas Neues zu wagen. Warum Veränderungen – ob privat oder im Beruf – Türen öffnen.

Stuttgart - Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Viele scheuen sich daher vor Neuem, vor dem Unbekannten. Dabei kann die Veränderung – ob privat oder im Beruf – Türen öffnen, Chancen bieten. Wir zeigen, wieso es wichtig ist, immer mal wieder seine Muster zu ändern: -

1 Weil man sonst auf ewig in seinem Kinderzimmer wohnt

Fast jeder dritte 25-Jährige lebt heute noch bei Mama und Papa, 1970 war es jeder fünfte. Nesthocker nennt man diese ewigen Kinder – und es werden immer mehr. Forscher vom Deutschen Jugendinstitut sprechen von einer „verlängerten Jugendphase“. Will heißen: Söhne und Töchter werden immer später eigenständig – räumlich, finanziell, mental. Es gibt äußere Gründe wie lange Ausbildungszeiten, unsichere Jobs, schlechte Bezahlung, späte Familiengründung. Aber es gibt auch das Phänomen, dass junge Leute einfach nicht erwachsen werden wollen. Stets liebevoll von Mama und Papa umkreist und versorgt, lebt es sich ja auch viel bequemer als in der eigenen Bude, wo der Kühlschrank immer leer ist. Dazu ist die Zeit der großen Generationenkonflikte, die Kinder früher schnellstmöglich aus dem Haus trieb, laut Jugendforschern vorbei.

Dabei ist dem Nachwuchs die Emanzipation von den Eltern eigentlich ins genetische Programm geschrieben. Schon der trotzige Zweijährige versucht im Grunde nur, erste eigene Wege zu gehen. In der Pubertät erreicht dieser Ablösungsprozess dann seinen Höhepunkt. Deshalb Vorsicht: Wer nicht irgendwann den endgültigen Absprung schafft und eigene Akzente geht, sitzt noch mit 50 im Kinderzimmer fest.

2  Weil die Erde sonst noch heute als   Scheibe gelten würde

Es gibt Unverbesserliche: Anhänger der Flat Earth Society (auf deutsch: Flache Erde Gesellschaft) etwa sind davon überzeugt, dass es sich bei der Erde um eine Scheibe handelt. Dass wissenschaftlich längst das Gegenteil bewiesen ist, dass bereits der griechische Philosoph Aristoteles vor mehr als 2200 Jahren davon überzeugt war, dass die Erde kugelförmig ist, wollen sie nicht wahrhaben. Zum Glück gibt es schon immer Menschen, die neugierig sind, die den Dingen auf den Grund gehen, die Bestehendes verändern und weiterentwickeln. Neugierde ist der Antriebsmotor fürs Lernen und Erkunden – und für alle Erfindungen, sprich: für den Fortschritt. Würden wir uns von Neuem und Unbekanntem abwenden, säßen wir noch heute in Höhlen im Dunkeln – und hielten die Erde für eine Scheibe.

3  Weil man sonst stets ins selbe Hotel fährt

 Stimm schon, Routine kann eine feine Sache sein. Dass wir mit Abläufen vertraut sind, macht uns sicher – und verhindert, dass wir im Beruf (und im Privaten) ständig in Panik geraten. Zuviel Routine kann aber auch schaden, das Leben allzu berechenbar und dadurch langweilig machen. So etwa in Sachen Urlaub. es gibt Menschen, die jedes Jahr an den selben Ort fahren – weil sie dort im Hotel mit Handschlag begrüßt werden und im Lieblingsrestaurant mit dem Wirt per Du sind. Klar, es gibt Sehnsuchtsorte, an die es einen immer wieder zieht. Das ist gut so. Aber die Welt ist doch viel zu schön und das Leben viel zu kurz, um keine neuen Kontinente, Länder, Regionen, Städte und Menschen kennenzulernen.

4 Weil wir sonst nur Kraut essen würden

 Die Geschichte der Gerichte ist eine Geschichte der Zuwanderung. Schon die Kartoffel ist eine Migrantin aus Südamerika, die die spanischen Entdecker mit nach Europa brachten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging es dann so richtig los. Gastarbeiter, die sich etwa von Italien auf den Weg ins kalte und krautreiche Deutschland gemacht hatten, brachten ihr Essen mit. Die ersten Pizzerien entstanden. Spätestens ab der Jahrtausendwende schlägt laut dem Kulturantropologen Gunther Hirschfelder dann die Zeit des Ethnofood. Indisch, vietnamesisch, afrikanisch, arabisch – Zuwanderer haben dafür gesorgt, dass Deutschland kein kulinarisches Entwicklungsland mehr ist. Und die heimische Küche? Hat sich auch weiter entwickelt – teilweise, indem sie sich auf ihre ursprünglichen, regionalen Produkte besonnen hat: Alblinsen, Urgetreide wie Emmer, alte Nutztiersorten – manchmal kann man auch einen Schritt zurück gehen, um Neuland zu erschließen.

5  Weil es sonst keine Wildwest-Filme gäbe

 Gut, Heimatfilme aus den 50ern haben ihren Charme. Aber ohne den großen Entdecker Christoph Kolumbus (um 1451–1506), gäbe es das Genre Western nicht – und die Welt wäre ohne Filme wie „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Zwei glorreiche Halunken“ und„Django Unchained“ ärmer. Zudem könnte sich kein Kind als Cowboy oder Indianer verkleiden. Das wär’ doch traurig!

6  Weil der Partner sonst weg ist

 „Andere haben sich scheiden lassen, wir haben mit 50 noch mal eine Firma gegründet“, so erklärte kürzlich eine 90-jährige Schwäbin das Geheimnis ihrer langen Ehe. Tatsächlich geraten viele Beziehungen in eine Krise, wenn sich scheinbar nichts mehr weiterentwickelt. Wenn das Haus gebaut, die Kinder erwachsen, der Karrierezenit überschritten sind, stellt sich Langeweile ein. Manche beantworten die Frage, ob noch was Neues kommen kann, mit nein. Und wagen lieber mit jemand anders den Neuanfang. Paartherapeuten raten aber dazu, das ruhige Fahrwasser nicht zu unterschätzen. Immerhin bietet es Raum, neue Ideen für sich und die Partnerschaft zu entwickeln – vorausgesetzt man hat sich noch gern.

Aber selbst in den frühen Jahren einer Partnerschaft kann ein Entwicklungsstopp unsexy sein. Auf einem Internetportal beschwerte sich kürzlich ein Nutzer über seine Freundin: „Sie denkt tatsächlich, dass wir uns mit 27 nicht mehr weiterentwickeln könnten. Was tue ich jetzt? Das macht keinen Spaß mehr . . .“ Vielleicht sollte er sich mal mit der 90-jährigen Schwäbin unterhalten.

7 Weil man sonst überholt wird

Der Firma Kodak ging es so: Das 1892 gegründete Unternehmen war lange führend im Bereich der analogen Fotografie. Dann kamen die Digitalkameras. Kodak wurde von kleineren und wendigeren Firmen überholt. Der Großkonzern mischte zwar mit, reagierte aber zu langsam auf die Entwicklungen – und schleppte zudem die ganze analoge Produktpalette zu lange mit. „The innovater’s dilemma“ (das Dilemma des Erfinders) nennt der US-Wirtschaftswissenschaftler Clayton Christensen dieses Phänomen, das immer wieder etablierte Firmen trifft. Sie verschlafen oder unterschätzen Veränderungen auf ihrem Markt – und werden so von Konkurrenten überholt, bisweilen verschwinden sie auch ganz.

Um das zu verhindern, suchen Konzerne wie etwa Bosch oder die Telekom heute immer häufiger Kontakte in die Start-up-Szene, also zu jungen Gründern, die neue technologische Ideen umsetzen. Sie unterstützen sie mit Geld und Wissen – oder kaufen sie auch mal ganz auf. Manche Start-ups bieten Unternehmen auch an, ein paar Wochen bei ihnen mitzuarbeiten – um mal wieder ein bisschen Pioniergeist zu atmen.

8 Weil man sonst unglücklich wird

Natürlich gibt es Menschen, die 30 Jahre lang im selben Job glücklich sind. Und nicht jeder ist dafür geboren, das nächste große Ding zu erfinden. Ein bisschen Erfindergeist und Lust auf Neues gehört laut dem amerikanischen Psychologen Martin Seligman aber schon zu einem glücklichen Leben. Der Mitbegründer der Positiven Psychologie hat 24 „Determinanten des Glücks“ definiert. Darunter unter anderem: Neugier auf neue Erfahrungen, Lerneifer und Erfindergeist. Zusammen mit anderen Charaktereigenschaften wie Liebesfähigkeit, Durchhaltekraft oder Bescheidenheit können sie dazu beitragen, dass Menschen glücklich sind.

9 Weil sonst Türen verschlossen bleiben Veränderungen gehören zum Leben. Kein Tag, kein Monat, kein Jahr geht ohne sie vorbei. Das zeigt sich bereits in Banalem: Es wechseln die Zeit, das Licht, die Temperaturen. Wir nehmen das nur kaum noch wahr. Denn wir sind daran gewöhnt. Ungewohntes hingegen macht vielen Menschen Angst. Man weiß nicht, ob man mit einem neuen Job oder in einer neuen Stadt zurechtkommt. Ob man sich auch künftig wohl fühlt. Doch wer nie nach vorne geht, nie etwas wagt, wird auf der Stelle treten. Viele Türen bleiben einem verschlossen. Doch wer bereit ist, einen neue Tür zu öffnen – wenn zunächst auch mit gewissen Magengrummeln, dem wird sich im besten Fall eine neue Welt auftun. Geht man diesen Weg Schritt für Schritt – und vor allem ohne allzu großen Unwillen, gewinnt man Vertrauen in sich und gewöhnt sich meist schnell an die neue Situation.

10 Weil es meist ein Wiedersehen gibt Klar, der Abschied vom Alten, vom Vertrauten, vom Liebgewonnenen fällt den meisten nicht leicht. Wir können unsere Gefühle nun mal nicht ausblenden. Doch wie es Hermann Hesse (1877– 1962) so schön sagte: „. . . Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, / . . . / Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben . . .“ Und auch wenn etwas zu Ende geht, gibt es meist ein Wiedersehen. Dies ist zwar die letzte Ausgabe von „Solo“, doch einige Elemente gehen in unser neues Wochenendmagazin über, das von 2. April an immer samstags erscheint.