Stark betroffen ist auch der Blumengroßmarkt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Stuttgarter Großmarkt ist der drittgrößte Warenumschlagplatz Deutschlands für Frischeprodukte. Gerade in der Corona-Krise garantiert er die Versorgung von zwölf Millionen Menschen im Land und darüber hinaus. Doch das Geschäft bricht vielen weg.

Stuttgart - Die Leuchtanzeige am Verkaufsgebäude läuft unentwegt. „Erdbeeren Deutschland 3,10 Euro. Niederlande 2,90. Italien 1,80“, verkündet sie den Kunden auf dem Großmarkt in Stuttgart-Wangen. An Ware mangelt es dort nicht, das zeigt schon der erste Blick. Über 200 Betriebe bieten Obst, Gemüse, Blumen oder Fisch an für ein Einzugsgebiet, das weit über Baden-Württemberg hinausreicht. Händler und Gastronomen decken sich frühmorgens mit frischen Waren ein. In Zeiten der Coronakrise, in denen Supermärkte und Wochenmärkte gut besucht sind, ein lohnendes Geschäft, sollte man meinen. Doch das täuscht.

„Normalerweise verzeichnen wir pro Tag etwa 1000 Kunden. Derzeit dürften es 600 oder 700 weniger sein“, sagt Thomas Lehmann. Der Geschäftsführer des städtischen Betriebs Märkte Stuttgart beobachtet, dass der Umsatz auf dem Großmarkt um 20 bis 25 Prozent eingebrochen ist. Bei manchen Händlern ist es noch viel mehr – je nachdem, wen sie beliefern. Zwar legen die Wochenmärkte zu. „Doch 80 Prozent unserer Produkte gehen in die Gastronomie“, so Lehmann. Gaststätten, Kantinen oder Hotels sind derzeit aber meist geschlossen oder bieten höchstens einen Lieferservice an, Veranstaltungen fallen aus.

„Der Gastronomiebereich ist zu Beginn der Krise um 90 Prozent eingebrochen. Jetzt geht wieder ein kleines bisschen mehr“, sagt Thilo Staiger von der Staiger GmbH, die vor allem Obst und Gemüse anbietet. Dennoch sind zwei Drittel seines Umsatzes weg. „Normalerweise sind für uns 35 Lastwagen am Tag unterwegs. Derzeit sind es noch 17.“ Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, am Jahresende wird man Bilanz ziehen müssen.

Viel Ware musste vernichtet werden

Auch beim Blumengroßmarkt auf dem Gelände stellt sich die Situation alles andere als entspannt dar. „Die ersten zehn Tage der Schließung auch von Blumenläden war Schockstarre“, sagt Vorstandsmitglied Gert Hieber. In dieser Zeit musste viel Ware vernichtet werden – die Recyclinganlage des Großmarkts lief im Drei-Schicht-Betrieb. Inzwischen haben die Geschäfte wieder geöffnet, doch der Rückgang beläuft sich derzeit auf rund 50 Prozent.

Engpässe müssen die Verbraucher indes nicht fürchten. „Die Warenflüsse funktionieren“, sagt Lehmann. Auch bei den Händlern ist zu hören, dass der Nachschub gesichert sei. Nur bei exotischen Früchten könnte es hin und wieder zu Engpässen kommen, weil weniger Flugzeuge und Schiffe unterwegs sind. Die Kunden müssen sich jedoch auf höhere Preise einstellen. „In Italien und Spanien haben sie schnell versucht, nach oben zu gehen. Das haben wir aber nicht mitgemacht“, sagt Markus Keller vom Gemüsering. Allerdings steigen seiner Meinung nach die Erntekosten. „Weil es zu wenige Helfer gibt, aber auch, weil man mehr bezahlen muss zum Beispiel für die Anreise.“ Der Gemüsering hat selbst vor wenigen Tagen ein Flugzeug gechartert, um 180 Helfer aus Rumänien einzufliegen. Märkte-Chef Lehmann glaubt deshalb, dass auch regionale Produkte anziehen werden: „Ein Kilo deutscher Spargel in guter Qualität könnte auf den Wochenmärkten bei 19 Euro liegen.“

Kaum Atemschutz im Einsatz

Viel diskutiert wird auf dem Großmarkt über die Maskenpflicht. Derzeit ist auf dem Areal fast niemand mit Atemschutz unterwegs. Darüber gibt es auch Beschwerden. Man könne die Kunden nicht zwingen, solange man selbst keine Masken anbieten könne, sagt Lehmann, der auf die jetzt getroffene Entscheidung der Politik gewartet hat. Man habe überall die Hygienevorschriften verteilt und kontrolliere auch Abstände. Lkw-Fahrer aus Italien und Spanien müssen kontaktlos entladen. Aus manchen Betrieben ist zu hören, dass nur eine Pflicht für alle Abhilfe schaffe: „Wenn meine Mitarbeiter mit Maske arbeiten, gehen die Kunden zur Konkurrenz, weil sie glauben, bei uns wäre etwas faul“, erzählt ein Händler.

Immerhin einen positiven Aspekt sieht so mancher. „Seit die Leute selbst kochen müssen, kaufen sie hochwertigere Produkte ein“, sagt Markus Keller vom Gemüsering. Und Thilo Staiger hofft: „Vielleicht werden gute Lebensmittel künftig wieder mehr geschätzt.“ Vorhanden sind genug davon – jetzt müsste nur das Geschäft wieder anspringen.