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Wir sind selbst für Lebensmittelskandale verantwortlich, sagt Autorin Orlamünder.

Stuttgart - Cora Orlamünder hat ein Buch darüber geschrieben, warum es in unserer Gesellschaft Lebensmittelskandale gibt.

Frau Orlamünder, essen Sie gerade noch Eier?

Ja, Bio-Eier. Das hat aber nichts mit dem aktuellen Dioxinskandal zu tun. Ich habe schon vorher bewusst eingekauft.

Sie haben ein Buch darüber geschrieben, inwiefern die moderne Gesellschaft selbst für die Lebensmittelskandale verantwortlich ist. Was machen wir falsch?

Eine Idee vermittelt der Titel des Buches: "Du bist, was du isst. Wissen wir noch, wer wir sind?". Wissen Sie noch, was Sie essen? Woher es kommt, wie es produziert wurde? Die Entwicklung seit der Industrialisierung führte zu einer Entfremdung von der Nahrung. Zu Unwissenheit, Verunsicherung und Desinteresse.

Weil wir unser Essen nur noch fertig kaufen und nicht mehr selbst anbauen?

Ja, mit zahlreichen Verarbeitungsschritten und langen Transportwegen wächst die Distanz zwischen den Ursprungsquellen der Nahrung und den Verbrauchern. Aber eine Rückkehr zur Agrargesellschaft ist für unsere Gesellschaft natürlich unrealistisch.

Zumal viele Menschen heute gar nicht mehr richtig kochen können. Wer nur Tiefkühl-Erbsen kauft, kann frische nicht mehr zubereiten.

So schwierig ist das nicht: Schoten pflücken, auspulen, fertig. Aber Sie haben recht: Traditionelles Ernährungswissen geht immer mehr verloren. Das macht uns abhängiger von der Industrie und ist Teil des Problems.

Auch die Firmen sind nicht ganz unschuldig. Sie vermitteln über Werbung ein Bild von der Nahrungsmittelproduktion, wie sie früher mal war, aber in industrieller Großproduktion gar nicht stattfinden kann.

Werbebotschaften wollen Bedürfnisse wecken. Sie sollen nicht aufklären, sondern verkaufen. Es wird inszeniert, was als wünschenswert erscheint.

Was wünschen wir uns von unserem Essen?

Mehr als Sättigung. Nahrung soll den Körper heute nicht nur erhalten, sondern ihn nach Möglichkeit auch verbessern, Gesundheit und Abwehrkräfte stärken, das Wohlbefinden erhöhen, vor Krankheiten und dem Altern schützen. Moderne Konsumenten erwarten meist einen Mehrwert, der über den Nährwert hinausgeht. Auch Genuss und Sicherheit spielen eine Rolle.

Ziemlich viel für den geringen Preis, den wir dafür oft nur zahlen wollen.

Zweifellos. Das Kostenbewusstsein der Deutschen ist stark ausgeprägt. Der Preis ist beim Lebensmittelkauf ein wichtiges Entscheidungskriterium und kann zu Diskrepanzen zwischen beabsichtigtem und realisiertem Verbraucherverhalten führen.

Und zu Lebensmittelskandalen. Warum empören uns gerade diese so sehr?

Weil diese eines unserer höchsten Güter bedrohen, die Gesundheit.

Dann müsste uns doch auch viel daran liegen, den angeprangerten Missstand zu beheben. Meist ändert sich das Einkaufsverhalten aber nur sehr kurzfristig.

Das stimmt, ist aber verständlich. Ernährungsgewohnheiten sind feste Verhaltensmuster. Bei akuter Gefahr reagieren die Menschen ausweichend. Ist die Gefahr gebannt, kehren sie zum üblichen Einkaufsverhalten zurück. Trotzdem können aber auch dauerhafte Trends entstehen, beispielsweise der Bio-Boom. Er zeigt auch, dass Handel und Hersteller reagieren, wenn sich die Nachfrage verändert. Die Waffen des Konsumenten sind sein Geld und seine Kaufentscheidung.