Mit dieser Werbung hat Edeka den Zorn der Landwirte auf sich gezogen. Foto: dpa

Wie viel ein Hähnchenschenkel im Supermarkt kostet, das verhandeln die Bauern selten direkt. Meist übernehmen das Genossenschaften – und die geraten durch Importe unter Druck.

Stuttgart - Nur in seltenen Fällen verhandelt ein Landwirt selbst mit dem örtlichen Supermarkt über die Preise seiner regionalen Produkte. Meist sind es Erzeugergemeinschaften oder Genossenschaften wie die Unabhängige Erzeugergemeinschaft Hohenlohe-Franken (UEG), die auf Fleisch spezialisiert ist. Der UEG-Geschäftsführer Herbert Klein ist seit 33 Jahren im Job, aber was er derzeit auf dem Markt erlebt, das sei „Turbokapitalismus pur“, sagt Klein. „Unsere Bauern hier haben gegenüber dem Handel bald eine ähnliche Position wie die einer Näherin in Bangladesch.“

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Die UEG habe gute Beziehungen zu Edeka, sagt Klein und schildert dann eine typische Verhandlungssituation mit den Einkäufern: Man spreche etwa darüber, welchen Kilopreis für Schweinefleisch Edeka zu zahlen bereit sei und was ein Landwirt so benötige zum Überleben. Um die Vollkosten für den Erzeuger zu decken, müsse der Preis bei 1,80 Euro liegen, besser noch darüber, damit die seit Jahren gebeutelten Schweinehalter wieder an Boden gewännen: also 1,90 oder vielleicht sogar zwei Euro? „Ja, heißt es dann bei Edeka, wenn die anderen auch bereit seien, das zu zahlen, könne man das auch tun“, berichtet Klein. Damit ist der Verkäufer in der Falle.

Enorme Marktmacht liegt bei Lidl und Co

Die „anderen“, das sind nämlich die drei großen Mitbewerber Rewe, Lidl und Aldi – eine ungeheure Marktmacht. Lidl sei mittlerweile der drittgrößte Lebensmittelhändler der Welt, er und die anderen „schauen doch nur nach der Rendite“. Bei der Milch, sagt Klein, hätten Aldi Süd und Aldi Nord jetzt eine Einkaufsgemeinschaft gegründet – da hätten Milcherzeuger keine Chance mehr. Das andere Problem gebe es bei allen Frischeprodukten: Die Discounter lockten mit Sonderaktionen – also Preisen unter Einkaufskosten – Kunden in die Läden. Das sei ein Missbrauch der Marktmacht, kritisiert Klein: „85 Prozent unserer Agrarprodukte werden über die vier Großen vermarktet, da haben Erzeuger null Chancen, sich zu wehren.“

Aber natürlich sei eine Basis für die Preisverhandlungen auch das Weltmarktgeschehen: Dass sich etwa der Schweinepreis, der 2019 noch im Keller war, erholt hat, liegt auch am Hauptproduzenten China, wo die Afrikanische Schweinegrippe grassierte. Dadurch dezimierten sich dort die Bestände und somit das Angebot.

Landwirtschaft ist ein globaler Markt

Die Obst- und Gemüsebauern wiederum stehen wegen der massiven Auslandsimporte unter Druck, die ihre Verhandlungsposition mit dem Handel schwächen. Besonders, wenn die Erntezeit der Importware und der heimischen Erzeugnisse – etwa bei Kirschen und Erdbeeren – zusammenfalle, gebe es einen „extremen Preisverfall“, so Padraig Elsner vom Badischen Bauernverband. 2018 war so ein Jahr, die deutsche Erdbeerernte kam früh, die spanische spät.

Über die Preise verhandelt beispielsweise die Erzeugergemeinschaft Obstgroßmarkt Mittelbaden (OGM) aus Oberkirch mit dem Lebensmittelhandel tagtäglich. Besser wäre es, zu einer Art Vertragsanbau mit Garantiepreisen zu kommen, sagt Wendelin Obrecht, der Vorstandsvorsitzende der OGM, der selbst Obst anbaut. Die Einkommenslage der Obstbauern sei prekär, bei vielen der 1000 OGM-Mitglieder stehe die Frage im Raum, ob sie den Betrieb an die nächste Generation weitergeben können. „Wir deutschen Erzeuger müssen die allerhöchsten Standards beim Umweltrecht, im Sozialen und beim Pflanzenschutz einhalten und stehen da im Wettbewerb mit der Importware, die diese Vorgaben eben nicht hat“, sagt Obrecht.

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Erdbeeren aus Spanien, Kirschen aus der Türkei und Zwetschgen aus Ungarn oder Serbien machen den Obstbauern das Leben schwer. In der Schweiz und Frankreich gebe es eine derartige Importflut nicht, sagt Obrecht: „Ich glaube, die französischen Bauern würden die Einrichtung der Läden zerdeppern, wenn sie solche Zustände wie bei uns hätten.“ Und noch etwas ärgert ihn: Verderbliche Ware wie Obst wird binnen weniger Tage verkauft, doch der Handel zahle den Bauern die Erlöse erst nach zwei Monaten: „Ich vermisse die Solidarität des Einzelhandels mit den deutschen Erzeugern.“

Mehr Verantwortungsgefühl bei den Verbrauchern

Einen ganz anderen Ansatzpunkt nennt Obst- und Spargelbauer Ingo Ehrenfeld aus dem Fränkischen. Er sieht die Verbraucher mehr in der Verantwortung. Statt immer auf die Dumpingpreise zu gehen, müsse man im Supermarkt hinterfragen, ob bei 99 Cent für ein Kilo Kartoffeln nicht irgendwer auf der Strecke bleibe. Er fordert größeres Umdenken, „von der Bauernmilliarde kommt doch auf dem einzelnen Hof kaum etwas an“.