Ein Kameramann filmt über Friedrichshafen am Bodensee aus einem Zeppelin hinaus. Foto: dpa

Drei Uferbewohner erzählen, wie sie von und mit dem Bodensee leben.

Gaby Hauptmann (57), Erfolgsautorin („Suche impotenten Mann fürs Leben“), Allensbach, deutsches Ufer:

„Irgendwie habe ich mich dem See schon immer nahe gefühlt – obwohl ich in Trossingen aufgewachsen bin und mein Vater eher die Berge liebte. Aber wir haben als Familie auch Ausflüge ans Wasser gemacht. Als ich nach dem Abitur Journalistin wurde, entschied ich mich für den ‚Südkurier‘ in Konstanz. Später machte ich ein Pressebüro auf und blieb am See, in Lindau. Es war eine herrliche Zeit.

Ich schrieb für viele Zeitungen, unter anderem für die Stuttgarter Nachrichten. Ich hatte mir einen Porsche gekauft und fuhr für meine Geschichten rund um den See. Zum Beispiel zu den Straßenmädchen in Dornbirn oder den Käsern in der Schweiz. Ich blieb auch in Allensbach wohnen, als ich in den Rundfunkstudios von Tübingen und Baden-Baden arbeitete. Lieber stand ich eine Stunde früher auf, um abends wieder an den Bodensee flüchten zu können. Ich musste und muss beruflich viel reisen, aber die Wohnung nah am See ist mein Ruhepol.

"Der Gnadensee hat eine magische Kraft"

Ich bin wie eine Spinne im Netz, die immer wieder zu ihrem Mittelpunkt krabbelt. Gerade der Gnadensee, wie unser Seeabschnitt heißt, hat eine magische Kraft. Ich sehe Berge, die Vulkane waren, sehe, wie die Gletscher die Landschaft geformt haben. Ich bin keine Esoterikerin – das möchte ich betonen –, aber ich habe das Gefühl, ich lade auf, wenn ich hier bin.

Wenn man am Ufer sitzt, kommen die Wellen immer auf einen zu, das hat was. Und es relativiert die Sorgen. Ich hatte auch schon Probleme, sogar Existenzängste – aber beim Blick auf diese Weite sagt man sich: Was regst du dich auf, das ist doch alles gar nicht so bedeutend. Ich habe einen Satz von Ruth Maria Kubitschek geklaut, mit der ich einmal gedreht habe: ,Wenn ich hier bin, geht mir die Seele auf.‘ Das trifft es gut.

"Ich genieße ich den See wie eine Touristin"

Inzwischen genieße ich den See eher wie eine Touristin. In meinen Romanen spielt er keine Rolle. Ich will nicht, dass ein Buch-Tourismus entsteht. Aber die Idee für ,Suche impotenten Mann fürs Leben‘ hatte ich am Ufer. Ich kam von einem langen Filmdreh zurück und hatte einen Haufen Magazine dabei, die ich nachlesen wollte.

Dabei fiel mir auf: Alle Magazine behandelten das Thema Impotenz. Im selben Moment schaute ich aufs Wasser: Eine Ente wurde von fünf Erpeln gejagt. Die waren ganz perfide. Kaum hatte einer abgelassen, stürzte sich schon der nächste auf die arme Ente. Ich war selbst schon oft genug die Ente – mich haben sie nur nie erwischt. Jedenfalls: Obwohl ich normalerweise jeden Regenwurm rette, habe ich diesen Erpeln die Impotenz gewünscht. Und da ist mir die Idee zum Buch gekommen.

Ich bin hoch in die Wohnung, habe sofort ein Exposé geschrieben, es an den Fischer-Verlag geschickt, der das Projekt gleich akzeptiert hat. Mein Buch ,Die Meute der Erben‘ ist auch eine Seegeschichte. Aber ansonsten hilft mir der See vor allem dabei, meine Balance zu finden.“

Gaby Hauptmann. Foto: dpa

Gerd Alfons, Technikdirektor der Bregenzer Festspiele

Gerd Alfons (64), Technikdirektor der Bregenzer Festspiele und des Festspiel- und Kongresshauses Bregenz, österreichisches Ufer: „Ich empfehle den Besuchern der Seebühne immer: Geht schon eine halbe Stunde vor Beginn der Aufführung auf die Zuschauertribüne – dann seht ihr noch den Sonnenuntergang. Man blickt auf das Wasser, kann seine Gedanken wegfließen lassen.

Dazu kommen der Geruch des Sees, der Wind – das erzeugt eine ganz eigene Stimmung nach dem Motto: ‚Was kostet die Welt?‘ Das überträgt sich auf die Schauspieler und die Zuschauer. Für mich ist die Seebühne ein Kraftort. Ich erlebe das besonders bei kleinen Kindern: Wenn die die Bühne sehen, dann stellt sich ein Wow-Effekt ein. Der Ort hat etwas, sonst würde nicht funktionieren, was wir dort tun.

Der See ist aber auch ein herausfordernder Ort, gerade für einen Techniker. Wir sind keine Bühne am See, sondern im See. Unsere Arbeit wird vom Wechsel des Wasserstandes beeinflusst. Wenn er aufgrund der Schneeschmelze hoch ist, kommen wir zum Beispiel in der Vorbereitung gar nicht mit Schiffen an die Insel heran. Und manchmal haben wir während der Vorstellung einen Meter hohe Wellen.

"Wind und Wellen haben großen Einfluss"

Zu manchen Inszenierungen passt das gut. Es gab schon Regisseure, die hätten hohe Wellen gern fix in ihre Inszenierung eingeplant – so begeistert waren sie von der Atmosphäre und der Wirkung auf das Bühnenbild. Aber in der Regel haben wir einen gemäßigten Wellengang. Neben den Wellen hat der Wind großen Einfluss. Zum Bühnenbild von‚ La Bohème‘ gehörten zum Beispiel 750 Quadratmeter Segelfläche.

Die entwickelt bei Wind schon eine erhebliche Hebelwirkung. Und auch jetzt, im Bühnenbild der Puccini-Oper ‚Turandot‘, haben wir eine Wand, die 27 Meter aus dem Wasser ragt und Winde mit 100 Stundenkilometern aushalten muss. Gleichzeitig soll sie aber elegant sein und wenig kosten. Das Umfeld des Sees ist also unser Maßstab – das macht die Arbeit komplizierter, aber auch spannender.

Das gilt überhaupt für das Leben am See. Wenn man wie ich aus Wien zugezogen ist, wird einem das noch stärker bewusst. Das ist ein Ort, an dem man das Italienische und Französische stärker spürt, ein Ort mit einer tollen Lebensqualität: Es gibt die Berge, das Leben im und am Wasser. Es gibt Stellen, an denen sich die Zugvögel sammeln. Ich bin in zehn Minuten im Wald, aber habe auch drei, vier Flughäfen in der Nähe.

Schauspieler führen auf der Seebühne in Bregenz die Oper „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Foto: dpa

Reto Leuch, Fischer und Landwirt

Reto Leuch (44), Fischer und Landwirt, Landschlacht, Schweizer Ufer

„Wir Leuchs sind bereits in der dritten Generation Berufsfischer in Landschlacht, das liegt in der Nähe von Kreuzlingen. Ich bin der Fischer draußen auf dem See, aber die ganze Familie arbeitet mit. Meine Frau leitet den Fischladen, wo wir je nach Saison Felchen, Egli, Hecht, Forelle, Saibling oder Aal verkaufen. Meine Eltern helfen auch noch mit, zum Beispiel, wenn die Netze gerichtet werden müssen. Meine beiden Söhne kennen sich schon gut aus auf dem Wasser.

Fischer müssen hart im Nehmen sein, denn auch bei Wind, Regen und Kälte fahren wir raus auf den See. Abends setze ich die Netze. Dazu muss man seinen See und die Fische gut kennen und erahnen, in welcher Tiefe, an welcher Stelle man eine Chance auf einen Fang hat. Das ist eine Art Wettkampf – aber das ist es auch, was das Fischen hier ausmacht. Früh am Morgen fahren mein Vater und ich auf den See, um die Netze einzuholen. Wenn wir manchmal Gäste mitnehmen, sind die ganz begeistert von der Stimmung, wenn die Sonne aufgeht. Diese Romantik sehen wir nicht mehr. Aber es ist schon schön auf dem See, ich fühle mich ihm sehr verbunden und hänge mit viel Herzblut daran.

"Leider immer weniger Fische"

Zurück an Land müssen die Fische gleich verarbeitet werden. Leider fangen wir immer weniger Fische. Durch die vielen Kläranlagen ist der Bodensee sehr nährstoffarm geworden. Deshalb haben wir die Kampagne ‚Rettet den Bodensee‘ gestartet. Wir wollen die Kläranlagen nicht abschaffen, aber sie sind über ihr Ziel hinausgeschossen. Es wäre gut, wenn sie nicht 95 Prozent Phosphat eliminieren, sondern 80 Prozent. Davon hätten alle einen Nutzen, auch die Gastronomen, die kaum noch Bodenseefisch auf dem Markt finden.

Schon als kleiner Junge war Fischer für mich ein Traumberuf. Mir war immer klar, dass ich das werden will. Mir gefällt die Abwechslung, man ist sein eigener Herr und Meister, man kann immer wieder etwas Neues ausprobieren. Aber Tatsache ist auch: Es werden weniger Fische, leben kann man von der Fischerei kaum noch. Auch wir haben noch eine Landwirtschaft als zweites Standbein, und ich bin froh darum. Auch wenn es immer meiner Meinung nach immer Fischer geben wird, die das im Nebenberuf ausüben, der reine Berufsfischer wird am Bodensee verschwinden. Und das ist doch sehr schade.“

Reto Leuch. Foto: Reto Leuch