Der frühere LBBW-Chef Siegfried Jaschinski vor Verhandlungsbeginn Foto: dpa

Die Anklage klingt spröde, birgt aber Sprengstoff: Hätte die LBBW ihre Zweckgesellschaften in der Bilanz führen müssen? Die Staatsanwaltschaft sieht das so. Folgt das Stuttgarter Landgericht dieser Linie, könnte es für Vorstände vieler Banken eng werden.

Stuttgart - Freundlich wie stets geht Siegfried Jaschinski an den Journalisten vorbei und nimmt auf der Anklagebank Platz. Der ehemalige Vorstandschef der LBBW ist gemeinsam mit sechs ehemaligen Vorstandskollegen wegen Bilanzfälschung angeklagt.

Außerhalb des Gerichtssaals geben sich die einstigen Spitzenmanager der größten deutschen Landesbank zugeknöpft. „Wir haben uns schon besser gefühlt. Aber es ist gut, dass es nach fünf Jahren endlich losgeht“, fasst der mitangeklagte Michael Horn die Befindlichkeit der Angeklagten zusammen. Die Zahl der Zuhörer ist überschaubar. Etwas über 20 sind gekommen – fast genauso viele Verteidiger befinden sich im Saal.

Die Staatsanwaltschaft ist von dem Vorwurf der schweren Untreue, ihrem ursprünglichen Ermittlungsansatz, abgerückt. Gestritten wird vor Gericht jetzt über den Vorwurf der unrichtigen Darstellung von Zweckgesellschaften in der Bilanz 2005 und 2006 sowie um Verschleierung von Risiken im Geschäftsbericht 2008.

Der Vorsitzende Richter Hartmut Schnelle betonte bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass die 14. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart die Anklage der Staatsanwaltschaft „voll umfänglich“ zugelassen hat. Die Kammer gehe davon aus, dass es sich bei den Zweckgesellschaften um bloße Sitzgesellschaften mit Direktoren als Strohmännern handelte, die im Auftrag der LBBW treuhänderisch tätig wurden.

Den Vorwurf, der Vorstand habe vorsätzlich Bilanzstraftaten begangen, weisen die Beklagten zurück. Zweckgesellschaften wurden 2000 eingerichtet, um mittelständische Kunden außerhalb des Bankkredits zu finanzieren. Sie hätten für die LBBW eine vergleichsweise geringe Bedeutung gehabt. Bei einer Bilanzsumme von 430 Milliarden Euro 2006 lag das Volumen der Zweckgesellschaften bei maximal 7,8 Milliarden.

Die Frage, ob Zweckgesellschaften in die Bilanz hätten einbezogen werden müssen, sei kein LBBW-spezifisches Thema, „sondern eines der gesamten Bankenbranche“, betont Jaschinski. Für den Leser der Bilanz sei diese Frage nicht wesentlich. Weder das Jahresergebnis des LBBW-Konzerns 2005 noch 2006 hätte sich durch die Einbeziehung geändert. Das Motiv, die Zweckgesellschaften aus Risikogründen zu verheimlichen, „gab es nicht“, sagt der frühere LBBW-Chef.

Für die Vorstände habe es seinerzeit keinerlei Zweifel gegeben, dass die Zweckgesellschaften nicht zu konsolidieren waren. Jaschinski weist darauf hin, dass auch bei der Rettungsaktion der SachsenLB 2007 mit dem damaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber und dem damaligen Chef der Finanzaufsicht, Jochen Sanio, schriftlich vereinbart wurde, die sächsische Zweckgesellschaft Sealink nicht in die Bilanz der LBBW einzubeziehen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten auch vor, dass sie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise die tatsächliche Lage der LBBW verschleiert haben sollen. Der Konzern habe stille Lasten aus langfristigen Wertpapierhandelsbeständen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro nicht richtig dargestellt. Zur Beurteilung der Risikolage sei dies aber „zwingend erforderlich“ gewesen. Die Bank sei bereits Ende 2008 in ihrem Bestand bedroht gewesen. Die Kapitalerhöhung und die Garantie des Landes zur Abschirmung der Risiken sei erst Mitte Juni 2009 verbindlich beschlossen worden. Auch diese Vorwürfe weist der Vorstand zurück.

Über den Antrag auf Abtrennung der Verfahren gegen die beiden Wirtschaftsprüfer will das Gericht nächste Woche entscheiden. Die Wirtschaftsprüfer befürchten, monatelang auf der Anklagebank sitzen zu müssen, bevor sie an der Reihe sind. Bis August sind 23 weitere Verhandlungstage anberaumt. „Mein Name ist Schnelle, und ich hoffe, dass die Hauptverhandlung schnell geführt wird“, versuchte der Vorsitzende Richter die Sorgen zu zerstreuen.