Die Mehrheit der Baden-Württemberger hat gute Erfahrungen mit Zuwanderern gemacht. Doch die Erwartungen an sie sind eindeutig: Sie sollen die deutsche Sprache lernen und sich um einen Arbeitsplatz bemühen. Foto: dpa

Überzeugung im Land: Zuwanderern muss man helfen, aber: Einheimische fordern Integrationswille.

Stuttgart - Zuwanderer in den Sportverein einladen, zum Fahrradfahren mitnehmen, für sie Partei ergreifen, wenn sie in eine brenzlige Situation geraten: Es mangelt nicht an guten Ratschlägen, wie neu Zugewanderten das Leben in Baden-Württemberg erleichtert werden kann. Das jedenfalls geht aus der landesweit ersten Bürgerumfrage zum Thema Integration hervor, die Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Montag vorstellte. 3000 Baden-Württemberger mit deutschem Pass wurden im vergangenen Frühjahr befragt, 92 Prozent davon sagten, man müsse Zuwanderern „Tipps zum Einleben in die neue Umgebung geben“, 74 Prozent sprachen sich dafür aus, dass man Zuwanderer „auch einmal nach Hause einladen soll“, 73 Prozent hielten es für wichtig, dass man „Zuwanderer persönlich willkommen heißt“.

Welche dieser Ratschläge befolgen die Bürger jedoch selbst? Bei dieser Frage ergibt sich ein etwas anderes Bild. Denn gerade mal ein Drittel der Befragten gaben zu, Zuwanderer tatsächlich mit Tipps fürs bessere Einleben zu versorgen. „Zuwanderer persönlich willkommen heißen“ – an diesen Vorsatz hielten sich gerade mal 27 Prozent. Und 28 Prozent wurden aktiv, als es darum ging, für Zuwanderer Partei zu ergreifen. „Es muss uns gelingen, Anspruch und Wirklichkeit noch besser in Einklang zu bringen“, sagte Öney. Die Bevölkerung im Südwesten sei bereit, mehr für die Integration zu tun. „Wir müssen sie ermuntern und unterstützen, dies auch umzusetzen.“

„Zuwanderer sollen die deutsche Sprache lernen“: 92 Prozent sagen ja

Wie die Integration im Südwesten bisher vorankommt? Auf diese Frage gaben die Befragten eine klare Antwort, die der Integrationsministerin nicht gefallen dürfte. In den Augen der Bevölkerung hat die Integration von Zuwanderern in den vergangenen Jahren kaum Fortschritte gemacht. 59 Prozent sind der Meinung, auf Landesebene habe sich in Sachen Integration „nicht viel verändert“. Doch wer am meisten für die Integration von Zuwanderern tun sollte – auch bei dieser Frage ist sich die Mehrheit der Baden-Württemberger laut Umfrage einig: Es sind die Zuwanderer und Migranten selbst. Das sagen jedenfalls 52 Prozent der Befragten. Für 19 Prozent ist der Staat hierfür verantwortlich. Für acht Prozent sind es die Einheimischen. Und 19 Prozent sind überzeugt, alle gemeinsam – Zuwanderer, Staat und Einheimische – müssen etwas für die Integration von Zuwanderern tun.

Sich besser in das Alltagsleben und die Gepflogenheiten der Einheimischen einfügen – dass dafür vor allem die Zuwanderer selbst verantwortlich sind, darüber gibt es bei den Befragten keine Zweifel. Dass diese auch hohe Erwartungen an die Zuwanderer haben, das wurde bei der Umfrage auch deutlich. „Zuwanderer sollen die deutsche Sprache lernen“ – dieser Aussage stimmten 92 Prozent „voll und ganz“ zu. 85 Prozent fordern zudem, Zuwanderer sollten sich um einen Arbeitsplatz bemühen. Und dass sie die Schule erfolgreich abschließen sollen, das meinten 70 Prozent.

Zusammenleben scheint problemlos zu funktionieren

So hoch die Erwartungen der Einheimischen in Baden-Württemberg an die Zuwanderer sind, so problemlos scheint das Zusammenleben zu funktionieren. Zwei Drittel der Befragten geben an, überwiegend gute Erfahrungen mit Zuwanderern gemacht zu haben. Laut Umfrage spricht jeder Zehnte sogar von sehr guten Erfahrungen. Jedoch fühlen sich 18 Prozent der Befragten gestört, wenn Zuwanderer „kein Deutsch lernen“, 15 Prozent, wenn sie „sich nicht integrieren wollen“ und zwölf Prozent, wenn Zuwanderer „häufig unter sich bleiben“.

Betrachtet man den Konfliktpunkt „Tragen von Kopftüchern“, ergibt sich ein interessanter Unterschied zwischen den beiden Landesteilen. Württemberger stört dies stärker (38 Prozent) als Badener (30). Eine Mehrheit der Bürger bevorzugen aber ganz klar die kulturelle Vielfalt im Südwesten. Nur 15 Prozent würden eine einheitliche Kultur und Lebensweise im Südwesten bevorzugen. Etwa ein Drittel (33 Prozent) sind der Meinung, dass Zuwanderer ihre kulturelle und religiöse Lebensweise ganz oder teilweise aufgeben sollten. Damit zeigen sich die Baden-Württemberger toleranter als der Bundesschnitt: Der liegt in dieser Frage bei 41 Prozent.

„Für die Bevölkerung im Südwesten endet Toleranz da, wo das Recht gebrochen und in persönliche Freiheitsrechte eingegriffen wird“, sagte Öney.