Schöne Menschen unter sich: Laut Claudia Huber gibt es Möglichkeiten, auch ohne perfekte Gesichter und Körper die eigene Attraktivität in den Augen anderer zu steigern. (Symbolbild) Foto: pawelsierakowski - stock.adobe.com

Die Masken in der Öffentlichkeit fallen, der Corona-Bauchspeck bleibt. Zeit, sich die Frage zu stellen, was Attraktivität eigentlich ausmacht. Warum wir sie nicht mit sexueller Anziehung gleichsetzen sollten, erklärt unsere Kolumnistin Claudia Huber.

Stuttgart - Attraktivität war in der Wissenschaft in den vergangenen Jahren ein krass diskutiertes Thema. Da man aufgrund lockererer Coronaregeln draußen wieder mehr Menschen begegnet, werden wir alle auch wieder öfter mit attraktiven und weniger attraktiven Mitmenschen konfrontiert und getriggert. So selbstverständlich wir sie in diese beiden Kategorien einordnen, so schwer ist die Frage zu beantworten: Was macht Attraktivität eigentlich aus?

Die Wissenschaft hat einige objektive Kriterien herausgefunden, nach denen die Mehrheit von uns Attraktivität bewerten. Ein wichtiger Punkt ist die Gesichtssymmetrie. Probanden fanden symmetrische Gesichtszüge fast immer schöner als asymmetrische. Aber zu viel Symmetrie ist auch nicht das Gelbe vom Ei. So wirken zu hundert Prozent symmetrische, am Computer erstellte Gesichter weniger attraktiv auf die meisten als welche mit kleinen Schönheitsfehlern. Allzu „picassoresk“ sollte man aber auch nicht daherkommen.

Das zweite objektive, optische Kriterium, das wissenschaftlich belegt mehrheitlich als attraktiv empfunden wird, ist die Körperform. So wirken bei Frauen Sanduhr-Körper und bei Männern V-Körper besonders attraktiv. Sowohl Symmetrie als auch weibliche beziehungsweise männliche Körperformen sprechen uralte biologische Instinkte an.

Vorliebe für Augenbrauen – durch Mr. Spock

Aber bereits bei der Körperform gerät das streng wissenschaftliche Modell etwas ins Wanken. Auch wenn das mit der Sanduhr und dem V durchaus Gültigkeit besitzt, gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen, wie dünn oder dick die Figuren im Idealfall sein sollten. Damit wären wir bei den Kulturkreisen, ein weiterer wichtiger Faktor, der in unser Attraktivitätsempfinden mit hineinspielt.

Einerseits gibt es da historische Beobachtungen. Während im Westen durchgehende Augenbrauen – die Monobraue – sowohl bei Männern als auch bei Frauen als tabu galten, war die Monobraue in orientalischen Kulturkreisen megasexy. Solches Empfinden ändert sich mich dem Zeitgeist. Aktuell lässt sich feststellen, dass Körperbehaarung bei Frauen, die vor fünf Jahren noch als absolutes No-Go galt, heute vor allem bei jüngeren Generationen teils der letzte Schrei ist.

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Aber weder biologische Instinkte noch kulturelle Prägung können das Rätsel um die Attraktivität vollständig lösen. Schließlich gibt es auch noch individuelle Prägungen, den relativen Part. Oft äußert sich dies in Vorlieben für einen bestimmten Typen – helle Haare, Bart, dunkle Augen, sowas. Diese Muster können auf unterschiedliche Art erlernt werden – mal ist es die Prägung durch die Eltern, aber es können auch Figuren aus der Kindheit sein, etwa aus Fernsehserien. Man kann zum Beispiel eine Vorliebe für spezifische Augenbrauen entwickeln, wenn man Mr. Spock für eine interessante Figur hielt.

Auch Hetero-cis-Männer erkennen schöne Männer

An dieser Stelle muss auch unterschieden werden zwischen „gut aussehend“ und „sexuell attraktiv“. Auch Hetero-cis-Männer und -Frauen können gleichgeschlechtliche Menschen als optisch schön erkennen, wenn es auch immer wieder Männergruppen gibt, die behaupten: „Kann ich überhaupt nicht einschätzen.“ Falsch; es lässt sich sehr wohl objektiv bewerten, dass Gustav beim anderen Geschlecht gut ankommt und Peter eher nicht so.

Wo Männer dagegen wirklich öfter danebenliegen, ist die Einschätzung der eigenen Attraktivität. Sie überschätzen sich tendenziell, während sich Frauen eher unterschätzen. Das liegt am Faktor soziale Erwünschtheit. Männern ist im Miteinander immer noch eine selbstbewusstere Rolle zugedacht als Frauen, während Frauen zugänglich, offen, nett sein sollen.

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Aber auch abseits dieser Rollenklischees sind sozialer Status, Persönlichkeit und Ausstrahlung neben der reinen Optik definierende Punkte für Attraktivität. So ist es oft auch die Ausstrahlung, aufgrund derer wir Eigenschaften in einen Menschen reininterpretieren. Gerade, wenn wir uns in jemanden verlieben, den wir – wie so oft – eigentlich kaum kennen, machen wir diese Person „more sexy“als sie auf den zweiten Blick eigentlich ist; eine wacklige Angelegenheit.

Würdest Du Dich selber daten?

Allerdings zeigt das auch, dass unser eigenes Rating in puncto Attraktivität nicht durch den biologischen Teil alleine in Stein gemeißelt ist. Schließlich kann auch in uns selbst hineininterpretiert werden.

Wichtig ist zunächst die Erkenntnis: Du kannst nicht auf jeden attraktiv wirken, siehe Spock-Augenbrauen. Aber man kann durchaus einiger Punkte auf einer Eins-bis-Zehn-Skala gutmachen, wenn man neugierig, offen und respektvoll ist. Möglichst nicht bedürftig wirken. Männer: Auch wenn Frauen sich dann kümmern, sie gehen nicht mit euch ins Bett. Umgekehrt wird sich nicht mal gekümmert.

Eine gute Frage, die man sich stellen kann, wenn es um die eigene Attraktivität geht, ist: Würdest Du Dich selber daten? Dieser Verkaufstest kann dabei helfen, die eigenen, negativen Eigenschaften in den Griff zu kriegen und sich selbst als wertvollen potenziellen Partner zu empfinden. Wetten, dass andere dann auch so empfinden!

Das Gespräch zeichnete Sascha Maier auf.

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