Vorsitzender der Jungen Liberalen Lasse Becker Foto: dpa

Der Vorsitzende der Jungen Liberalen über den Absturz der FDP in den aktuellen Umfragen.

Berlin - Von Mitten in ihrer schweren Führungsdebatte kommt es für die FDP auch bei den Umfragen knüppeldick: Die Partei stürzte in der Wählergunst auf drei Prozent ab - ein 15-Jahres-Tief. Lasse Becker, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, spricht von Fehlern der gesamten Parteispitze.

Herr Becker, hat die FDP nun die Krise, die sie verdient?

Jedenfalls sollte man den Bürgern nicht unterstellen, dass sie uns ungerecht behandeln. Wir sind in der Pflicht, bessere Arbeit zu leisten. Dass wir nach dieser Woche, in der die Partei nur über Personal und nicht über Inhalte gesprochen hat, auf drei Prozent rauschen, wundert mich nicht.

Was ist denn der Kardinalfehler, der zu diesem Dauertief geführt hat?

Die FDP hat in der Regierung viel zu spät angefangen, Dinge konkret umzusetzen. Wir waren zur Bundestagswahl als Reformmotor angetreten. Nach der Wahl gab es dann politischen Stillstand bis nach den Wahlen in NRW. Das war der Schlüsselfehler.

Und die FDP konnte beim Thema Steuersenkung nicht liefern.

Einfach, niedrig und gerecht - das haben wir ja im Wahlkampf immer zugleich genannt. Danach haben wir uns zu lange einseitig auf die Steuersenkung kapriziert. Bis heute vernachlässigen wir den Aspekt der Vereinfachung zu sehr. Beispiel: Die nun vereinbarten höheren Pauschalbeträge für Arbeitnehmer sind eine plausible Steuervereinfachung. Aber als echte Steuersenkung nimmt uns das niemand ab. Und das ist dann ein Kommunikationsfehler.

Wie groß ist der Anteil von Guido Westerwelle an der Misere?

Die gesamte Führungsspitze der FDP hat Fehler gemacht, auch der Vorsitzende. Bei den grundsätzlichen strategischen Fragestellungen hat aber nicht einer der Stellvertreter oder Präsidiumsmitglieder widersprochen und Kritik am Kurs geübt.

Aber Westerwelle ist das Gesicht der FDP. Logisch, dass er angesichts der miserablen Umfragewerte im Wind steht.

Die Jungen Liberalen haben schon zu Oppositionszeiten die personelle und thematische Verbreiterung angemahnt. Das tun wir auch heute. Aber die Führung samt Stellvertreter steht in gemeinsamer Verantwortung, einschließlich Andreas Pinkwart, Cornelia Pieper oder Rainer Brüderle.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle halten nun manche für eine gute Übergangslösung.

Über die personelle und programmatische Verbreiterung der FDP ist im Frühjahr auf dem Bundesparteitag der FDP zu entscheiden. Nicht vorher. Das darf kein Harmonieparteitag werden. Da muss Klartext geredet werden. Wobei wir Julis Interimslösungen so oder so sehr skeptisch gegenüberstehen. Dauerhaft tragfähige Lösungen - egal in welcher Teamkonstellation - erscheinen mir wesentlich sinnvoller.

Stehen die Jungen Liberalen über die Landtagswahlen hinaus zu Westerwelle?

Ich sage ehrlich: Von den Wahlergebnissen hängt viel ab. Und beim Bundesparteitag wird analysiert: Wer hat welchen Fehler gemacht, und wie baue ich ein zukunftsfähiges Team? Heute sollten wir uns erstmal auf die vier Landtagswahlen im Frühjahr konzentrieren.

Muss sich die FDP programmatisch ändern?

Jedenfalls wird man nicht dadurch glaubwürdig, dass man zum 200. Mal eine Steuersenkung ankündigt. Wir brauchen einen Schwerpunkt beim Thema Haushaltskonsolidierung. Wir müssen aber auch bei der Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung eindeutig sein und bei der Frage des zukunftsfesten Umbaus der Sozialsysteme stehen. Und wir müssen uns beim Thema nachhaltige, ökologische Marktwirtschaft ein neues Feld erschließen.

Welche Erwartung haben Sie an Guido Westerwelle?

Beim Dreikönigstreffen sollte er selbstkritisch den einen oder anderen Fehler benennen. Aber er sollte auch neuen Schwung verbreiten und die Menschen emotionaler als in der Vergangenheit ansprechen.