Foto: Kayser

Das Land hat kein Meer, aber über 4000 Inseln: Laos ist ein Binnenstaat, und die Inseln liegen inmitten des Mekong, des legendären Stroms Südostasiens.

An der Anlegestelle der Fähre über den Mekong hat sich eine Autoschlange gebildet. Bunt bemalte Kleinlaster, ein Bus mit glaslosen Fenstern, hinter denen die Köpfe der Passagiere wie Scherenschnitte in Bilderrahmen erscheinen, Pkws und ein Pick-up mit Hühnerkörben auf dem Blechdach: Sie alle warten auf die Fähre, die sie über den Fluss nach Champasak bringen soll. Wir steigen aus und vertreten uns die Füße. Um den Anleger herum breitet sich eine Brettersiedlung mit Buden und Essensständen aus. Drei Mönche sitzen auf einer Bank, die Arme auf dem Holztisch aufgestützt, den Kopf tief über ihre Schüsseln gebeugt und löffeln selbstvergessen Nudelsuppe. Fliegende Händler verkaufen Limo in Plastiktüten. Frauen mit kegelförmigen Strohhüten bieten Bündel mit Früchten an, die an Rettiche erinnern.

Als Wasserkartoffeln bezeichnet sie unser Guide, Mr. Phounsawath aus der Provinzhauptsadt Pakse, Wath genannt. Zusammen mit ihm und einem Fahrer sind wir im Privatwagen unterwegs. Wir sind im Süden von Laos, auf dem Weg zum Flussarchipel von Si Phan Don, was Viertausend Inseln bedeutet. Seit zwei Wochen erleben wir Laos am und auf dem Mekong, der Lebensader des südostasiatischen Binnenlands. Von der thailändischlaotischen Grenze im Norden bis hierher im südlichsten Winkel. Nun bringt uns die Fähre zum Städtchen Champasak.

Laos ist die Wiederentdeckung der Langsamkeit, irgendwie scheint sich alles im Zeitlupentempo abzuspielen, vor allem hier im Süden, in der Provinz Champasak: das Leben der Mönche in der Stadt Pakse, die sich geduldig in Positur stellen fürs Touristenfoto. Der Alltag in den Dörfern der ethnischen Minderheiten im Bolaven-Plateau, Mädchen in Jeans beim Reisstampfen zwischen Geisterhütte und Opferstätte, daneben die Großmutter in Volkstracht beim Rauchen einer Bambusrohrpfeife. Eine Khmer-Tempelruine im Zauberwald, Moos wächst auf Säulenstümpfen, Tarzanlianen schaukeln zwischen silbergrauen Urwaldriesen, dicke Brettwurzeln, einstürzende Termitenhügel. Dann eine freie Stelle, Durchblick auf einen Fluss, ein Langboot mit einem Fischer zieht lautlos vorbei.

Wie ein roter Faden zieht sich der Mekong durch unsere Reise. Bei Champasak erleben wir einen der Höhepunkte dieser wunderschönen, gemächlichen Genusstour, den auf einem Berg gelegenen Tempel Wat Phou. Er ist eines der frühesten Heiligtümer der Khmer, teilweise sogar älter als Angkor Wat in Kambodscha. Von hier oben aus hat man einen herrlichen Ausblick bis in die weite Mekong-Ebene. In der weiten Ferne schimmert der Strom.

"Juwel des Mekong" nennt sich Laos in der touristischen Werbung. Das kleine Land ist vom Mekong geprägt, der "Mutter aller Wasser", wie sie hier sagen. Einer der zehn längsten Flüsse der Welt, 4500 Kilometer lang von der Quelle in Tibet bis zum Mündungsdelta im Südchinesischen Meer. Auf seinem Lauf durchquert er alle fünf Länder, die Laos umrahmen: China, Burma, Thailand, Kambodscha und Vietnam. 1900 Flusskilometer gehören Laos, dem einzigen Land Südostasiens ohne Zugang zu den Weltmeeren. Auch nicht über seinen größten Fluss. Bevor der Mekong aber Laos verlässt und durch Kambodscha zum Mündungsdelta in Vietnam fließt, verabschiedet er sich mit einem Paukenschlag: Der Wasserfall Khon Phapheng, der größte Südostasiens, setzt einen rauschenden Schlusspunkt. Er liegt im Land der Viertausend Inseln im Mekong, Si Phan Don.

Am späten Nachmittag erreichen wir den Flussarchipel. Wir wohnen auf Don Khong, der größten Insel von Si Phan Don, in einer Herberge direkt am Mekong. Heute ist Nationalfeiertag, und es kommt uns so vor, als hätte jemand den Lautsprecherknopf im Land aufgedreht. Aus allen Ecken hämmert Discomusik. Normalerweise sei hier der verschlafenste Winkel von Laos, erklärt unser Begleiter. Normalerweise.

Fließend laotisch

Ziemlich gerädert besteigen wir am Morgen danach das Langboot zur ersten Erkundungsfahrt im Land der Viertausend Inseln. Auf 14 Kilometer Breite schwillt der Mekong hier in der Regenzeit auf einem etwa 50 Kilometer langen Abschnitt an, die breiteste Stelle seines gesamten Laufs. Bald sind wir umgeben von Inseln und Inselchen. Rechts, links, vorne, hinten – überall Grünflecken im milchkaffeefarbenen Wasser, ein wahres Labyrinth. Jetzt ist Anfang der Trockenzeit, und der Höchststand des Flusses ist an Schmutzstreifen auf den Uferböschungen und am Plastikdreck im Buschwerk noch gut zu erkennen. Ein sichtbares Zeichen für die Gefährdung des Mekong durch Umwelteinflüsse, wie unser Reiseführer feststellt. Auch die Zahl der vom Aussterben bedrohten Irrawaddy-Delfine, die sich im Süden der Region der Viertausend Inseln noch tummeln, sei drastisch gesunken.

Etwa 55 000 Menschen, die meisten auf der Hauptinsel, leben in dieser amphibischen Welt, die je nach Wasserstand Inseln verschwinden oder auftauchen lässt. Hin und wieder begegnen wir auf der Fahrt anderen Langbooten, die dasselbe Ziel haben wie wir, die Inseln Don Khon (nicht zu verwechseln mit Don Khong) und Don Det.

In Don Khon steigen wir aus. Wir sind nun im entlegensten Winkel von Laos, nur 15 Kilometer von der Grenze zu Kambodscha. Vor nicht allzu langer Zeit gab es hier noch keine Autos, keinen elektrischen Strom. Eine kurze Wanderung durch den Dschungel, und wir stehen vor weiß schäumenden Stromschnellen auf unübersehbarer Breite: die Wasserfälle von Don Khon. Hier beendet der Mekong seinen friedlichen Lauf. Durch Rinnen und Felsspalten rauscht das Wasser, wirbelt Gischt auf, brodelt in unzähligen Pools und donnert in vielen Kaskaden in eine Schlucht. Inmitten des Getöses wirft ein Fischer von einem Felsen ein Netz aus, und waghalsige Touristen klettern über die Klippen am Ufer auf der Suche nach der besten Kameraposition.

Vor der Rückfahrt mit dem Langboot kehren wir in einem kleinen Lokal ein. Da sitzen wir nun auf der Terrasse bei einer Flasche Lao-Bier. Im Hintergrund die blauen Berge Kambodschas, vor uns der Mekong. Träge und lehmbraun wälzt er sich dahin. Die Viertausend Inseln sind der gemächlichste Winkel von Laos. Nur nicht am Nationalfeiertag.

Info: Angebote: Den Mekong in Südostasien erleben, geführt von einem persönlichen Scout, kann man bei der Reise "Tropische Impressionen am Mekong" von Marco- Polo-Reisen (17 Tage zwischen 3499 und 4299 Euro), Tel. 0 08 00/44 02 44 02, http://www.marco-polo-reisen.com. Weitere Mekong-Indochina-Reisen bei Gebeco, Geoplan und Lernidee Reisen.

Klima: Tropisch, im Jahresdurchschnitt 28 Grad. Regenzeit von Mai bis Ende September. Von November bis März meist sonnig und trocken, nachts und am Morgen jedoch ziemlich kühl.

Literatur: Lonely Planet "Laos", deutsche Ausgabe (Mairdumont) und "Laos", Stefan Loose Travel Handbücher (Du-Mont Reiseverlag), beide mit vielen Tipps für Individualreisende.

Allgemeine Auskünfte: http://www.visitlaos.com, http://www.indochina-services.com (beide englisch), http://www.goasia.de (deutsch).