Auch Kleingartenpächter Kemal Altinsoy soll das Grundstück verlassen Foto: Leif Piechowski

75 Jahre lang hat sich niemand daran gestört, dass die Gartengrundstücke im Landschaftsschutzgebiet in Altbach bei Esslingen genutzt werden. Jetzt hat das Landratsamt Esslingen Druck auf die Gemeinde ausgeübt – und diese den Pächtern gekündigt.

75 Jahre lang hat sich niemand daran gestört, dass die Gartengrundstücke im Landschaftsschutzgebiet in Altbach bei Esslingen genutzt werden. Jetzt hat das Landratsamt Esslingen Druck auf die Gemeinde ausgeübt – und diese den Pächtern gekündigt.

Altbach - Seit 20 Jahren kommt er hierher, im Sommer dreimal die Woche, jeweils für zwei bis drei Stunden. So viel Zeit hat Michael Hartmann in seinem Garten verbracht, in dem er in fünf jeweils 150 Meter langen Beeten Gemüse für den Familienbedarf anbaut. Doch mit dem Hobby des 76-Jährigen ist es ab 2015 vorbei.

Niedergeschlagen hält er die Kündigung des Grundstückeigentümers, der Gemeinde Altbach, in den Händen. Formulierungen wie „Räumung bis zum 31. Dezember 2013“ oder „Ersatzflächen gibt es keine“ sind da über das Flurstück Nr. 1152 zu lesen – seine Parzelle. Der Grund für die Kündigung von Hartmann und den anderen 24 Pächtern: Sie hätten gegen die Verordnungen des Landschaftsschutzgebiets Schurwaldrand Altbach-Plochingen-Reichenbach verstoßen. Dem Rentner hätte klar sein müssen, heißt es, dass er keinen Geräteschuppen und keine Gewächshäuser im Landschaftsschutzgebiet aufstellen darf.

Genauso sieht es auch Matthias Berg, Naturschutzdezernent beim Landratsamt Esslingen. „Eigentlich muss man sich fragen: Warum durfte man so lange etwas Verbotenes tun? Und nicht: Warum darf man jetzt nicht mehr gegen die Landschaftsschutzverordnung verstoßen?“ Außerdem hätte das Landratsamt die Pächter bereits 1991 und 2002 darauf hingewiesen, dass derartige Nutzungen nicht gestattet sind.

Wohl fühlt sich Berg damit, das Thema bei der Gemeinde Altbach vorangetrieben zu haben, trotzdem nicht ganz. „Wir sind in jedem Fall der Buhmann“, sagt er. Spricht er sich für eine Kündigung der Gärten aus, verbrämt er die Pächter. Tut er es nicht, stünden die anderen Nutzer von Flächen unter Landschaftsschutz vorm Landratsamt und fragten: „Warum dürfen die dort, wir in Wendlingen aber nicht?“

Darum geht Berg strikt nach Recht vor. Und das stellt klar: Keine Hütten, Holzverschläge, Gewächshäuser, Frühbeete, Wegeplatten, Wasserfässer, Grillvorrichtungen oder Ähnliches dürfen die Landschaft verunzieren. Erschwerend kommt hinzu, dass nur etwa die Hälfte ihre Grundstücke hegt und pflegt wie Hartmann. Grund dafür ist, dass die Flächen so gut wie keine Pacht kosten. Bei Hartmann sind es acht Euro im Jahr. Andere bezahlen nichts. Nach dem Motto „Was nichts kostet, ist nichts wert“ haben einige Pächter ihre Grundstücke, die oft über Generationen von den gleichen Familien genutzt werden, verwildern lassen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs geht das so. Jetzt sollen die Hobbygärtner das Feld räumen.

Kemal Altinsoy, der den Garten vor drei Jahren von seinem mittlerweile verstorbenen Onkel übernommen hat, wurmt die Kündigung. „Wie soll ich denn die ganzen Sachen aus dem Garten entfernen? Seit einem Unfall habe ich Rückenprobleme“, sagt der 43-jährige Familienvater. Er würde wenigstens gerne die Hütte behalten können. „Auf dem Stuhl davor zu sitzen war für mich Entspannung pur.“ Sein Wunsch wird wohl nicht in Erfüllung gehen.

Doch was wird aus den 24 Gartengrundstücken, die dann herrenlos im Landschaftsschutzgebiet liegen? Hartmann, der die Gegend bestens kennt, warnt die Gemeinde vor einer Nachnutzung: „Das wird teuer – ich schätze, dass über das Gebiet etwa 500 Grenzsteine verteilt sind.“ Die sind etwa einen halben Meter groß, häufig von Gras überwachsen. Sie machen eine landwirtschaftliche Nutzung der Fläche praktisch unmöglich. „Und wer soll das bezahlen, die alle zu suchen und zu entfernen?“, fragt sich der ehemalige Industrieelektroniker schulterzuckend.

Mehr als mit den Schultern zucken kann auch Wolfgang Wittkowski nicht, als man ihn mit den Grenzsteinen konfrontiert. Der Gemeindekämmerer von Altbach hat von den Steinen bisher nichts gehört und keine Ahnung, was er Anfang 2015 vorfinden wird, wenn er mit dem Bautrupp ins Landschaftsschutzgebiet vorrückt. „Bei manchen mutmaßlichen Pächtern ist gar nicht so wirklich klar, ob sie tatsächlich Vertragspartner der Gemeinde sind.“ Das sei nach all den Jahrzehnten nicht mehr zu ermitteln.

Was aus dem Landschaftsschutzgebiet nach der Räumung wird, muss der Gemeinderat Altbach entscheiden. „Naheliegend ist eine landwirtschaftliche Nutzung“, sagt Kämmerer Wittkowski. Warum sich die Stadtverwaltung nicht um Alternativen für die Hobbygärtner bemüht, erklärt er so: „Die Fläche ist einfach zu groß – wie soll eine kleine Gemeinde wie wir knapp zwei Hektar Land zur Verfügung stellen?“ Zumal die Gemeinde noch kleiner wird. Der Gemeinderat hat den Verkauf von Teilen des Wasserschutzgebietes von Altbach an den Nachbarort Plochingen beschlossen. Auch hier befinden sich knapp 20 privat genutzte Gartengrundstücke. Auch ihnen droht die Kündigung. „Wegen der selbst gebauten Brunnen – die stellen eine Verschmutzungsgefahr für das Grundwasser dar“, sagt Wittkowski.