Ein Bilderbuch-Krautkopf bringt nicht selten acht Kilogramm auf die Waage. In diesem Jahr sind die Haible bisher allerdings nur etwa halb so groß wie im Normalfall. Foto: Natalie Kanter

Bereits jetzt ist wegen der Dürre auf den Fildern der Start in die Krauternte um zwei Wochen verschoben. Die Köpfe sind bisher nur halb so groß wie in normalen Jahren.

Filder - Ein zu voller Größe ausgewachsener Krautkopf bringt nicht selten mehr als acht Kilogramm auf die Waage. Doch vom Normalfall kann im Hitzesommer 2015 keine Rede sein. Durch die wochenlange Trockenheit müssen die Filderbauern in diesem Jahr nicht nur beim Spitzkraut mit massiven Einbußen rechnen. „Die Köpfe sind nicht mal halb so groß wie sonst“, stellt Walter Vohl, landwirtschaftlicher Obmann im Leinfelden-Echterdinger Stadtteil Stetten und stellvertretender Chef des Kreisbauernverbands Esslingen, ernüchtert fest.

Die normalerweise bereits Mitte August beginnende Ernte der besonders frühen Sorten ist deshalb schon jetzt im Verzug. „Die Haible sind einfach noch zu klein, das Kraut hat dringenden Wasserbedarf“, berichtet Walter Vohl über den mindestens um zwei Wochen verschobenen Start der Filderkraut-Saison. Der Bauern-Sprecher rechnet damit, dass es durch die extreme Trockenheit in diesem Jahr auch bei der Haupternte zu einer Verzögerung kommt.

Start der Krauternte erst Mitte September

Erst Mitte September, also gerade mal vier Wochen vor dem traditionellen Krautfest, können die Landwirte voraussichtlich mit dem Schneiden für die Sauerkrautproduktion loslegen – und hoffen, dass bis dahin noch reichlich Regen fällt. „Noch ist beim Filderkraut nichts verloren, aber es wird schon deutliche Einbußen geben“, bestätigt Ernst Schumacher, der landwirtschaftliche Obmann in Filderstadt-Bernhausen. Aus seiner Sicht haben die Krautpflanzen die nötige Wurzelmasse durchaus gebildet, auch die Nährstoffe sind in ausreichender Menge im Boden vorhanden.

Was fehlt, ist die fürs Wachstum nötige Feuchtigkeit. „Wenn es in den nächsten drei bis vier Wochen noch Niederschlag gibt, können die Krautpflanzen die lange Trockenphase noch etwas aufholen“, glaubt Schumacher. „Aber da müsste es schon 50 bis 60 Liter auf den Quadratmeter regnen“, schränkt er ein. Klar ist für ihn und seine Berufskollegen deshalb, dass die Filderkraut-Ernte 2015 mengenmäßig unter den Erwartungen bleibt. Auch Schumacher schätzt, dass die Krautköpfe in diesem Jahr nur halb so viel Gewicht wie üblich auf die Waage bringen werden. „Vor allem die frühen Sorten werden nicht den gewohnten Ertrag haben“, stellt er klar.

Auch andere Feldfrüchte betroffen

Von den Hoffnungen auf ein Spitzenergebnis haben sich die Landwirte nicht nur beim Spitzkraut verabschiedet. Auch für Mais und Zuckerrüben waren die hohen Temperaturen und der ausbleibende Niederschlag ein Problem. Während die Getreideernte aus Sicht von Ernst Schumacher „zufriedenstellend“ lief, schätzen die Agrarexperten des Raiffeisenverbands, dass etwa die Maisernte mit bundesweit 3,9 Millionen Tonnen dieses Jahr um durchschnittlich rund ein Viertel geringer ausfallen wird.

Vor Ort auf den Fildern wird der Verlust noch größer eingeschätzt: „Die einzelnen Kolben sind dünner und nicht ganz mit Körnern gefüllt“, sagt Walter Vohl aus Stetten. Er rechnet mit einer um ein Drittel niedrigeren Ernte. „Es ist kein einfaches Jahr für die Landwirtschaft, bei vielen Sorten müssen die Betriebe froh sein, wenn sie nach der Ernte unterm Strich eine schwarze Null schreiben“, fasst der landwirtschaftliche Obmann die Sorgen seiner Kollegen zusammen.

Auch bei den Kartoffeln ist von deutlichen Einbußen die Rede. Und: Selbst beim als Futtermittel wichtigen Gras hat die Dürreperiode ihre Spuren hinterlassen. „Wenn sie keine Vorräte angelegt haben, müssen die Bauern für ihr Vieh nun Futter kaufen“, sagt Christine Knobloch-Hiller, die landwirtschaftliche Obfrau in Stuttgart-Degerloch. Nach dem ersten Schnitt vor Pfingsten ist das Gras nicht mehr stark gewachsen. Ihr Möhringer Amtskollege Alex Brodbeck sieht den Berufsstand beim Getreide „mit einem blauen Auge davongekommen“, die Einbußen beim Ertrag schätzt er auf zehn bis 20 Prozent. Bundesweit rechnet der Bauernverband beim Getreide mit einer Ernte von 46,5 Millionen Tonnen – ein Minus von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings hatte die Dürre vor der Kornernte auch den positiven Nebeneffekt, dass die Frucht trocken und leichter einzulagern war – bei der Qualität gab es deshalb keine Einwände.

An wochenlange Dürre hatten die Bauern nicht gedacht

Beim Kraut freilich, mit einer Anbaufläche von knapp über 200 Hektar noch immer prägend für die Filder, gelten andere Gesetze. Für das Kohlgemüse ist Trockenheit ein echter Wachstumshemmer. Dabei hatten die Landwirte nach dem vielversprechenden Frühjahr noch große Zuversicht gezeigt. Bei der Felderrundfahrt der Bauern aus Bonlanden hatte Obmann Gebhard Handte noch im Juli mit einer „guten bis sehr guten Ernte“ gerechnet, sein Kollege Albrecht Schweizer aus Harthausen hoffte nur, dass die „gut stehende Frucht von Unwettern verschont bleibt“. Eine wochenlang anhaltende Dürrephase mit allenfalls tröpfchenweise Regen hatten auch die Bauern erst mal nicht auf der Rechnung.

Schon wenige Wochen später, als der landwirtschaftliche Ortsverein in Bernhausen zur Besichtigung lud, war allerdings vom „Salat mit Sonnenbrand“ die Rede. Und auch Joachim Mack aus Leinfelden und Frank Stäbler aus Musberg hofften bei ihrer Tour durch Feld und Flur auf Regen. Beim Warten auf den richtigen Erntezeitpunkt fürs Filderkraut gehen die Bauern übrigens durchaus ein Risiko ein. Zum einen drohen die Köpfe laut Walter Vohl zu platzen, wenn die Wachstumsphase bereits abgeschlossen ist und der große Regen kommt. Zum anderen ist der Bedarf des Handels vielleicht schon gedeckt, wenn die Filder mit ihrer Produktion zu spät auf den Markt kommt. Im von der Trockenheit nicht so stark gebeutelten Norddeutschland werden bei der Kohlernte sehr gute Erträge erwartet, den Filderbauern droht neben der mengenmäßig kleinen Ernte beim Geschäft mit dem Kraut auch ein Preisverfall.

Nicht wenige Landwirte haben ihr Heil während der Dürreperiode deshalb in einer ausgiebigen Bewässerung gesucht. „Der Salat ist komplett mit Bodenseewasser gewachsen“, weiß der stellvertretende Chef des Kreisbauernverbands. Das Problem ist, dass die Beregnung der Pflanzenkulturen gerade für kleinere Betriebe nicht nur erheblichen Zeitaufwand bedeutet. Das auf den Feldern ausgebrachte Wasser stellt auch einen gewaltigen Kostenfaktor dar.

Bewässerung geht für die Betriebe richtig ins Geld

Denn um dem Filderkraut die nötige Feuchtigkeit zu geben, sind pro Quadratmeter mindestens 20 Liter Wasser nötig, beim Salat rechnen die Landwirte sogar mit einem Flüssigkeitsbedarf von 30 Litern pro Quadratmeter – in regelmäßigen kleinen Gaben. Bei einem Wasserpreis von rund 1,45 Euro pro Kubikmeter ergibt das beachtliche Mehrkosten: Auf den Hektar gerechnet muss der Bauer schon beim Filderkraut knapp 300 Euro in die Hand nehmen – zumal bei Hitzetemperaturen ein guter Teil der Beregnung gar nicht bei der Pflanze ankommt, sondern schlicht verdunstet.