Nicht nur auf den Feldern macht der Trupp Halt. Auch den Ärger über die bei der Ortskernsanierung aufgestellten Ampeln im Zentrum machen die Landwirte Luft. Foto: Julia Barnerßoi

Bei der traditionellen Rundfahrt über die Felder erklären die Mitglieder des Landwirtschaftlichen Ortsvereins Plieningen ihre Sorgen und Nöte. Diesmal geht es vor allem um S 21.

Plieningen - Sonnenhüte jeder Art stehen an diesem Nachmittag hoch im Kurs. 50 Personen warten am Montag in der brütenden Hitze vor dem Anwesen des Landwirtschaftlichen Obmanns Helmut Gehrung an der Echterdinger Straße. Jegliche Modelle von Safarihüten über Fischermützen bis zu Strohhüten und Käppis schützen die Köpfe vor der prallen Sonne.

Auf das Kommando von Gehrung erklimmen die Stadträte, Bezirksbeiräte, Vertreter der städtischen Ämter und Bürger über schmale Leitern die drei großen Anhänger, die bereit stehen. Dann knattern die Traktoren los zur traditionellen Felderrundfahrt, bei der die Mitglieder des Landwirtschaftlichen Ortsvereins Plieningen die Sorgen und Nöte der Bauern hautnah rüberbringen.

Es herrscht Klassenfahrt-Laune

Die Stimmung auf den braunen Filzdecken ist gut. Ansonsten sind die Bänke auf den Hängern gänzlich ungepolstert. Ein wenig herrscht Klassenfahrt-Laune. Beschwingt stimmen eine paar Teilnehmer ein Lied an. Olaf Daiß, der Leiter des Plieninger Polizeipostens, bietet schutzlosen Köpfen seine Uniform-Mütze an.

Es holpert und poltert, doch der Fahrtwind kühlt ab. Er wirbelt allerdings auch eine Menge Staub auf. Genau das ist das Ziel der nicht allein romantischen Ausfahrt. Gehrungs Zähne knirschen nicht nur vom Sand, der sich in jede Faser legt. Schon beim ersten Halt erzählt er, wer seiner Einladung nicht gefolgt sei: Vertreter der Bahn und der Bauleitung, die den Fildertunnel für Stuttgart 21 graben wird. Das Milliardenprojekt ist das größte Sorgenkind der Plieninger Bauern und bestimmt an dem heißen Nachmittag die Tagesordnung.

„Es geht weiter, bis nichts mehr da ist“

Helmut Gehrung zeigt den Platz, an dem der Bahntunnel aus der Innenstadt in Plieningen ankommt. Dort stehen schon die ersten Bagger. Er erklärt, dass die Landwirte ihren Feldweg an dieser Stelle nicht mehr nutzen können, wenn es losgeht, und dass ihnen noch keine annehmbare Lösung angeboten wurde. Er zeigt auch auf die Stücke der weiten Felder, auf denen das Betonwerk entstehen könnte, dass die Röhrenteile für den Fildertunnel herstellt. Und er weiß für jeden möglichen Standort, warum dieser für die Landwirtschaft nicht ideal wäre. Helmut Gehrung kennt sich aus beim Thema Stuttgart 21.

Es gibt wohl nur wenige Bürger, die so viel Kontakt mit den Verantwortlichen für das Großprojekt haben. So verkündet Gehrung auch seine neueste Information, nämlich dass die Röhrenringe wohl doch nicht vor Ort gefertigt werden. „Das ist uns natürlich recht“, sagt er. Auf dem weiteren Weg zwischen Feld und Autobahn sehen die Passagiere den Langwieser See, der Stuttgart 21 auch zum Opfer fallen könnte. „Wir dachten nach dem Flughafen und der Messe ist Ruhe, aber es geht weiter, bis nichts mehr da ist“, sagt Helmut Gehrung.

Wölfles sechzigster Geburtstag

Nach knapp zwei Stunden kommt ein schwarzer Mercedes hinter dem Traktoren-Gespann angefahren. Bürgermeister Werner Wölfle stößt zur Felderrundfahrt. Er hat eine gute Ausrede für die Verspätung, denn es ist sein sechzigster Geburtstag. Die beschwingte Gruppe stimmt sogleich ein Lied für den Verwaltungs-Schultes an.

Zum Abschluss tuckert das Traktoren-Gespann durch den Plieninger Ortskern. Gehrung und seine Kollegen zeigen, wo ihnen Falschparker das Leben schwer machen. Oder sie weisen auf Grundstücke, aus denen die Büsche und Bäume weit in die Straße ragen. Die Mitfahrer wissen genau, was er meint, immer wieder müssen sie vorbeiwischenden Ästen ausweichen.

Ein letztes Thema darf nicht fehlen – auch wenn es nicht allein die Landwirte betrifft. Nämlich der Ampelärger, der zu Plieningen gehört wie der Fernsehturm zu Stuttgart. Dafür ordnet Gehrung auch schon mal einen Halt mitten auf der Kreuzung Schoellstraße und Turnierstraße an. „Diese Ampel gehört weg. Da geht nie jemand drüber“, schimpft Helmut Gehrung in Richtung Bürgermeister und Vertreter der Stadt. Dafür erhält er von allen Plieningern auf den Hängern Applaus – ob Landwirt oder nicht.