Von Umfrageergebnissen nicht gerade verwöhnt: SPD-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat Nils Schmid. Foto: dpa

Die schlechten Umfragewerte der Südwest-SPD sind zum Teil hausgemacht: Den Genossen fehlt auch nach fünf Regierungsjahren ein klares Profil.

Stuttgart - Umfragen sind ein Spiegel politischer Trends, doch in Wahlkampfzeiten werden sie leicht selbst zum politischen Faktor. Denn wenn sich Hochs oder Tiefs zu einer stabilen Wetterlage verdichten, beeinflusst dies die Motivation der Wahlkämpfer erheblich. Insofern wird SPD-Landeschef Nils Schmid an diesem Wochenende ein Kunststück vollbringen müssen, um seine Leute auf dem Landesparteitag in Stuttgart aufzumuntern. Mehr als 18 Prozent bringt seine Partei derzeit nicht auf die Waage. Zuletzt waren es sogar nur 15. So schlecht stand die Südwest-SPD in ihrer Nachkriegsgeschichte noch nie da. Die Stimmung ist dementsprechend.

Zum wiederholten Mal erlebt die Partei, wie sie als Junior einer Koalition den Kürzeren zieht. Mitte der 1990er Jahre konnte sie das mit der Übermacht der CDU begründen, die den kleineren Partner angeblich an die Wand drückte. Doch die „Augenhöhe“ im aktuellen Bündnis mit den Grünen nützt der SPD genauso wenig: Der raumgreifende Ministerpräsident bucht die Stimmen im liberal-bürgerlichen Lager aufs Konto der Grünen. Dass man in Berlin ein ähnliches Schicksal beklagt, kann den Genossen kein Trost sein. Denn im Bund halten sie sich stabil. Im Land jedoch sind sie im freien Fall.

Kampf um Sozialleistungen

Natürlich verhagelt die Flüchtlingskrise auch der SPD die Ernte. Unter ihren Wählern gibt es viele, die sich entschieden gegen den ungebremsten Zustrom stemmen. Gerade solche mit kleinem Geldbeutel fürchten die neu erwachsene Konkurrenz um Wohnungen und Sozialleistungen. Doch das reicht nicht als Erklärung. In Ländern wie Rheinland-Pfalz, wo am 13. März ebenfalls ein neuer Landtag gewählt wird, fallen die Umfrageverluste für die SPD längst nicht so dramatisch aus. Denn ihre Schwindsucht im Südwesten ist auch hausgemacht: Es ist ihr in fünf Regierungsjahren nicht gelungen, ein klares Profil von sich zu zeichnen.

Nicht, dass ihr Personal schwere handwerkliche Fehler gemacht hätte. Ob Finanzen, Polizei oder Schulen – die Minister haben ihre Ressorts durchaus im Griff. Der Opposition fällt es schwer, im Kabinett die Achillesferse zu finden. Trotzdem bleibt das Bild diffus. Am grünen Tisch hat sich die SPD-Spitze zwar das Image einer Reserve-CDU mit sozialem Anstrich zurecht gezimmert. Doch die echten Christdemokraten gelten noch immer als die besseren Wirtschaftsversteher. Und wo eine Lücke entsteht, besetzt sie der Ministerpräsident, der die Grünen als neue Baden-Württemberg-Partei propagiert. Bei diesem Gerangel um die Mitte hat die SPD bisher keinen Stich gemacht.

Die Reserve-CDU?

Umso stärker nimmt man wahr, wenn sie auf ihrem ureigenen sozialpolitischen Feld patzt – wie mehrfach geschehen. Das Streichen des Landeserziehungsgelds zum Beispiel oder die Zustimmung zum Verkauf der LBBW-Wohnungen an einen privaten Investor kratzen am Markenkern der SPD . Die „Linke“ am anderen Rand des Parteienspektrums wartet nur auf solche strategischen Fehler.

Die SPD im Land geht also mageren Zeiten entgegen. Vor allem dann, wenn es aus Berlin (wie zurzeit) an Rückenwind fehlt. Einstweilen muss sie sich mit der Rolle als Mehrheitsbeschaffer für CDU oder Grüne abfinden – in der Hoffnung, dass auch die Ära Kretschmann irgendwann zu Ende ist. Der größte Kraftquell der Genossen liegt derzeit in den Kommunen. Ihre Oberbürgermeister zeigen vielerorts, dass eine pragmatische Politik, die Wirtschaftsnähe und soziale Interessen in Ausgleich bringt, Erfolg haben kann. Diese Bühne muss die SPD stärker bespielen. Sonst ist sie im Südwesten irgendwann nur noch Splitterpartei.

a.rieger@stn.zgs.de

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