Hessen hat gewählt - doch wie geht es weiter? Die Wähler haben es den Parteien schwer gemacht, in Wiesbaden eine Regierung zu bilden. Die „hessischen Verhältnisse“ sind zurück.

Wiesbaden - Nach dem nächtlichen Wahlkrimi in Hessen richten die Parteien ihre Blicke heute (Montag) nach vorne. Wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse steht Hessen vor einer schwierigen Regierungsbildung - es reicht weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün. Die Spitzen der fünf im Landtag vertretenen Parteien stehen am Vormittag (10.00 Uhr) in Wiesbaden Rede und Antwort zu ihren Plänen. Der Parteirat der FDP, die nach langem Zittern die Fünf-Prozent-Hürde ganz knapp übersprang, trifft sich in Oberursel.

Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis wird die CDU mit 38,3 stärkste Partei in Hessen. Die bisher mitregierende FDP bleibt trotz dramatischer Verluste entgegen fast aller Hochrechnungen mit 5,0 Prozent doch im Parlament - für eine Fortsetzung der Koalition reicht das aber nicht. Die SPD legt kräftig zu auf 30,7 Prozent. Die Grünen kommen auf 11,1 Prozent und die Linken auf 5,2. Die eurokritische Alternative für Deutschland holte aus dem Stand 4,0 Prozent. Für einen Machtwechsel braucht Rot-Grün die Linken - die sprichwörtlichen „hessischen Verhältnisse“ sind zurück.

SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel (43) wollte sich am Wahlabend nicht auf eine Bündnisoption festlegen. CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier (61) sieht einen klaren Auftrag für seine Partei zur Regierungsbildung. Er bot am Abend sowohl der SPD als auch den Grünen Gespräche über eine mögliche Koalition an.

Rechnerisch möglich ist in Hessen neben Rot-Rot-Grün auch eine Koalition von CDU und SPD sowie Schwarz-Grün. Rot-Rot-Grün hatte Schäfer-Gümbel im Vorfeld „politisch“ ausgeschlossen, „formal“ jedoch nicht und sich somit ein Hintertürchen offengelassen. Die Linke zeigte sich am Wahlabend offen für eine Koalition mit SPD und Grünen.

Parteienforscher hält rot-rot-grüne Koalition für unwahrscheinlich

Der Parteienforscher Nils Diederich rechnet mit einer großen Koalition. „Es wird außerordentlich schwierige Koalitionsverhandlungen geben. Ich vermute mal, dass es nach einem gewissen Zögern auf eine große Koalition hinauslaufen wird“, sagte Diederich der Nachrichtenagentur dpa. Ausschlaggebend seien auch die Verhandlungen auf Bundesebene. „Danach wird es Signale für die Richtung in Hessen geben“, betonte der Politologe in Berlin.

Es sei jedoch denkbar, dass sich die SPD nur auf die Zusammenarbeit einlasse, wenn Volker Bouffier (CDU) als Ministerpräsident ausscheide. Eine rot-rot-grüne Koalition hält Diederich hingegen für unwahrscheinlich: „Die Sozialdemokraten würden in Hessen und im Bund einiges an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie nach monatelangen 'Mit denen nicht'-Beteuerungen einknicken würden“, betonte er.

Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) hält sowohl ein schwarz-rotes Bündnis als auch eine schwarz-grüne Koalition für möglich. Mit beiden Parteien erwarte er schwierige Gespräche, die aber erfolgreich sein könnten, sagte Schäfer der Nachrichtenagentur dpa: „Ich glaube, dass es bei beiden potenziellen Gesprächspartnern unterschiedliche Stellen gibt, wo man sich näher ist und andere Stellen, wo man weiter auseinander ist.“

„Mit den Grünen werden wir möglicherweise bei der Schulpolitik leichter Gesprächsergebnisse erzielen können als bei den Fragen der Verkehrsinfrastruktur. Bei den Sozialdemokraten sind es andere Themen.“ Das sei aber normal, wenn Parteien verhandelten, die zuvor nicht vorgehabt hätten, gemeinsam zu regieren, sagte Schäfer. Die CDU wolle eine stabile Regierung bilden und unklare „hessische Verhältnisse“ vermeiden.