Wohl kaum vom Winde verweht: Das Plakat der CDU zur Landtagswahl Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Diskutieren Sie mit: Die Werbebotschaften der Parteien im Landtagswahlkampf sind nicht mehr allein Zielscheibe von Schmierereien. Die AfD beklagt einen Verlust von rund 80 Prozent ihrer Plakate. Sie ist aber nicht die einzige Leidtragende in diesem Wahlkampf.

Stuttgart - Zerrissen, beschmiert oder demontiert: Viele Wahlplakate überleben nicht bis zum Wahltag. Das gilt in Stuttgart vor allem dann, wenn es Plakate der AfD, der Linken oder der CDU sind. Die AfD hat deswegen am Donnerstag im Gemeinderat einen „Dringlichkeitsantrag“ gestellt. Darin ist von „einer beispiellosen Orgie von Plakatzerstörungen und -diebstählen“ die Rede.

Die Forderung der AfD: Der Gemeinderat solle dazu aufrufen, auf Gewalt gegen Sachen oder Personen zu verzichten. Zudem solle er einen Ausschuss einsetzen, der „Vorkommnisse politisch motivierter Gewaltanwendung untersucht“ und Vorschläge für die Eindämmung der Gewalt macht. Dabei ging es der AfD zuvörderst um sich selbst: Ihre Vertreter würden angepöbelt und sogar beschossen, klagte Dr. Heinrich Fiechtner.

Ratsmehrheit lehnt Antrag ab

Die große Ratsmehrheit wollte nicht über das Stöckchen springen. Der Gemeinderat stehe immer für Recht und Gesetz ein, er müsse sich dazu nicht eigens bekennen, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne). Gewaltanwendung werde von der Polizei und der Justiz untersucht. Folge man dem Antrag nicht, entstehe der Stadt kein Schaden. Daher liege keine Dringlichkeit im Sinne des Stadt- und Gemeinderechts vor. Man könne „irgendwann“ darüber reden, dann aber auch über brennende Flüchtlingsquartiere.

Die AfD reagierte empört und lautstark. Fraktionschef Lothar Maier beklagte eine „Abstimmungsguillotine“. Sein Kollege Fiechtner rief theatralisch: „Schande über dieses Haus.“ Die Freien Wähler beantragten später, nicht mehr neben Fiechtner sitzen zu müssen, der schon öfter für Eklats sorgte.

Alle Parteien haben mit Diebstahl und Zerstörung von Plakaten zu kämpfen. Das zeigt ein Blick auf die Neckartalstraße in Münster. Eigentlich hängen an jedem Lichtmast der Ausfallstraße Wahlplakate aller Parteien. Aber jetzt, gut eine Woche vor der Landtagswahl, liegen die meisten auf dem Boden – oder sind einfach ganz weg.

Besonders schwer trifft es dabei die AfD. Bis zu acht von zehn Wahlplakaten musste die Partei bisher neu aufstellen. Besonders viele AfD-Wahlplakate kommen im Stuttgarter Süden weg. Wer dahintersteckt, das wissen die AfD-Leute nicht. Dieter Lieberwirth, Presseprecher der Stuttgarter AfD, vermutet aber: „Das sind wahrscheinlich Aktionen aus dem linken Spektrum. Die NPD vermute ich nicht dahinter.“

Der Umgang mit ihrem Material ist für das Stuttgarter AfD-Wahlkampfteam nichts Neues. 2014 bei den Kommunalwahlen hatte die Partei mit diesem Problem auch schon Ärger. Daher der Entschluss, insgesamt etwa 6000 Plakate für die anstehende Landtagswahl in Bestellung zu geben.

So viele Plakate ließ keine andere Partei machen: Die Stuttgarter Grünen und die SPD haben zusammen gerade mal so viele, allerdings auch nicht so große Verluste. Lillo Chiantan, Regionalgeschäftsführer der Stuttgarter SPD, sagt: „Die Zahl der politisch motivierten Abrisse ist nicht gestiegen im Vergleich zu den vergangenen Wahlkämpfen.“ Ähnlich bei den Grünen. „Bei den Bundestagswahlen 2013 wurden unsere Wahlplakate in Degerloch komplett abgenommen. In diesem Wahlkampf ist das in so einem Umfang noch nicht passiert“, sagt der Stuttgarter Wahlkampfmanager der Grünen, Robert Hinz.

Ganz anders die Situation bei der CDU. CDU-Kreisgeschäftsführer Bastian Atzger vermutet ein organisiertes Vorgehen: „Ein Novum ist, dass Plakate in ganzen Straßenzügen abtransportiert werden. Ein Lausbubenstreich ist das nicht.“ Aktionen von links oder rechts? Keine Ahnung. Einige Stuttgarter CDU-Ortsverbände haben bereits bei der Polizei Anzeige erstattet. Mittlerweile hat die CDU in Stuttgart 1000 zusätzliche Plakate machen lassen, insgesamt sind es nun 3000. 2011 bei den Landtagswahlen sei man mit 2000 ausgekommen.

Laut Dagmar Uhlig, Pressesprecherin der Stuttgarter Linken, sei die Partei vom Ordnungsamt darüber informiert worden, „dass viele Plakate am Vaihinger Waldrand rumliegen“. An die Polizei hat sie sich nicht gewandt, bislang zumindest. Immerhin liegen die Kosten pro Plakat bei rund zwei Euro. Allein die CDU kommt so mit ihren Nachbestellungen locker in die Tausende.

Die Strafverfolgung ist schwierig. Der Pressesprecher der Stuttgarter Polizei, Stephan Widmann, meint: „Die Täter hinterlassen selten Spuren. Deswegen sind wir auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.“ So wie in der Nacht auf Mittwoch, als ein Pärchen dabei beobachtet wurde, wie es in Weilimdorf systematisch Plakate entwendete. Die beiden wurden festgenommen.