Natur pur: Wurzel eines umgekippten Baumes am Schliffkopf im Nationalpark Schwarzwald Foto: dpa

Umwelt- und Klimaschutz als Randthema, das nur grüne Hardliner interessiert? Mitnichten. Laut ZDF-Politbarometer rangiert es hinter dem Flüchtlingsthema und der Bildung auf Rang drei: Eine intakte Natur bedeutet für viele mehr Lebensqualität.

Stuttgart - Der Umwelt- und Klimaschutz ist das Paradethema der Grünen, also auch der grün-roten Landesregierung. Doch konnten die grün geführten Ministerien halten, was vor der Wahl versprochen wurde, oder hat die Partei am Ende den Mund zu voll genommen? Tatsächlich fällt die Bilanz unterschiedlich aus, je nachdem, ob Naturschützer oder die konventionelle Landwirtschaft die Errungenschaften beurteilen.

Ein Beispiel dafür ist das Grünlandumbruchverbot – das gleich nach der Landtagswahl 2011 erlassen wurde. Es soll verhindern, dass wertvolle Wiesen und Weiden in Ackerflächen umgewandelt werden. Innerhalb von acht Jahren gingen in Baden-Württemberg 21 000 Hektar Grünland verloren, eine Fläche von mehr als 29 000 Fußballfeldern. Oft wurde Grünland umgebrochen, um Mais für Biogasanlagen anzubauen. Da beim Umpflügen CO2 freigesetzt wird, belastet die Umwandlung auch das Klima – ein Hektar nicht umgebrochenes Grünland vermeidet jährlich rund zehn Tonnen CO2.

Naturschutzverbände wie der Nabu, der BUND und der Landesnaturschutzverband (LNV) mit seinen 34 Mitgliedsvereinen sind sehr zufrieden, dass diese Kernforderung umgesetzt wurde. Der Landesbauernverband sieht dagegen Wettbewerbsnachteile gegenüber Nachbarn in Land, Bund und Europa. Und auch die Opposition, wie Patrick Rapp (CDU), sagt, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe müsse im Vordergrund stehen – „Respekt vor dem Eigentum“.

Ökolandbau wird unterstützt

Das für Naturschutz und Landwirtschaft zuständige Ministerium von Alexander Bonde (Grüne) hat auch ein Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (Fakt) eingeführt, das deutlich mehr Agrarfördermittel in Richtung Ökologie und Naturschutz lenkt als das Vorgänger-Fördermodell Meka. Der Landesbauernverband (LBV) sieht darin eine Begünstigung des Ökolandbaus und extensiverer Bewirtschaftungsformen und wenig Angebote für konventionell wirtschaftende Betriebe – von der Regierung ist das durchaus gewollt. Bondes Ministerium unterstützt aber auch Weinbauern, die in den schwer zu bewirtschaftenden Steillagen arbeiten: Der Zuschuss wurde dort auf den EU-Höchstfördersatz fast verdreifacht.

Uneins sind Naturschutzverbände und der LBV auch in Sachen neues Jagdrecht. Der LBV fordert, dass auch künftig „die Feldreviere für Jäger interessant bleiben“ müssten. Die Feldjagd dürfe nicht nur Schwarzwildbekämpfung bedeuten, sondern müsse auch Fasan und Hase umfassen. Erlassen wurde das neue Jagd- und Wildtiermanagementgesetz für mehr Tierschutz. So sind bestimmte Fallen und bleihaltige Munition verboten, es gibt eine allgemeine Schonzeit und ein Fütterungsverbot. Die Rolle der Jäger in der Hege und im Artenschutz wird unterstützt. Zur Verbesserung des Tierschutzes wurde auch generell mehr Personal eingestellt, Alternativen zu Tierversuchen werden gefördert.

Die größte Aufmerksamkeit in Sachen Naturschutz genießen die Großschutzgebiete – Grün-Rot hat den nur zunächst umstrittenen Nationalpark Schwarzwald eingerichtet. Heute bewerten ihn nur noch sieben Prozent der Baden-Württemberger negativ. Am 1. Februar wurde außerdem das zweite Biosphärengebiet im Land eingerichtet, ebenfalls im Schwarzwald.

Ausgleichsmaßnahmen werden kaum kontrolliert

Umweltschutz gibt es aber nicht zum Nulltarif. Der Grunderwerb – etwa für Grünbrücken für Wildtiere über Fernstraßen – kostet Geld. Grün-Rot hat in der ersten Legislaturperiode den Etat für Naturschutz von 30 auf 60 Millionen verdoppelt. Aus Sicht der Verbände kann das aber nur ein Anfang sein: So ist der Nabu überzeugt, dass die Sachmittel jährlich um 30 Millionen Euro erhöht werden müssen. Vor allem die vielen ehrenamtlich geführten Landschaftserhaltungsverbände (LEV) – ihre Zahl ist innerhalb von fünf Jahren von sechs auf 31 gestiegen – brauchen Geld, um die Managementpläne für das europaweite Netz von Schutzgebieten – Natura 2000 – umzusetzen.

Auch Moorschutz geht nicht ohne Fläche, die Geld kostet. Das Land muss entsprechende Gebiete erwerben, weil wieder vernässte Moore land- und forstwirtschaftlich kaum zu nutzen sind. Der Moorschutz ist Schwerpunkt der Naturschutzstrategie Baden-Württemberg und aus Sicht des Nabu auf einem guten Weg. Und auch generell zieht der Verband eine positive Bilanz: „Die grün-rote Landesregierung hat den Natur- und Umweltschutz deutlich vorangebracht und in vielen Bereichen den Weg für Verbesserungen geebnet“, sagt Nabu-Chef Andre Baumann.

Gerhard Bronner, Vorsitzender des LNV, ist ebenfalls zufrieden: „Aus Sicht des Naturschutzes war die Landespolitik der zurückliegenden Jahre ein Erfolg. Dass der Naturschutz ins Zentrum der Politik gerückt wurde, ist keine leere Floskel. Die Naturschutzmittel – jahrzehntelang auf skandalös niedrigem Niveau – wurden verdoppelt.“ Bronner sagt aber auch: „Beim Thema Flächenverbrauch tat sich auch die grün-rote Landesregierung schwer – auch, weil man kommunalfreundlich sein wollte.“ Der LNV-Chef sieht weiter „das Problem, dass Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft unzureichend umgesetzt und kontrolliert werden. Hier muss ein lückenloses Kontrollsystem geschaffen werden“.

Eine Vorzeigedisziplin von Grün-Rot

Auch der BUND stellt Grün-Rot ein „insgesamt gutes Zeugnis“ aus. Ein Aspekt dafür ist das Gentechnikverbot auf landeseigenen Flächen und der nun festgelegte Schutzgürtel von 3000 Metern um Naturschutzgebiete. Auch Minister Bondes engagiertes Eintreten für ein Verbot von Glyphosat – ein Bienen und andere Insekten schädigendes Breitbandherbizid – bewerten die Verbände als echten Fortschritt.

Der Klimaschutz hat in Baden-Württemberg jetzt Gesetzesrang und ist eine der Vorzeigedisziplinen von Grün-Rot. Durch eine gemeinsame Initiative des US-Bundesstaats Kalifornien und des Landes Baden-Württemberg wurde 2015 ein Memorandum of Understanding (MoU) gezeichnet, das bei der Weltklimakonferenz in Paris von 122 weiteren Befürwortern getragen wurde. Mit dem neu erlassenen Klimaschutzgesetz werden verbindliche Ziele definiert: Bis 2020 sollen 25 Prozent CO2 gegenüber 1990 eingespart werden, bis 2050 rund 90 Prozent.

25 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien

Dies begrüßt der BUND ebenso wie die Änderung des Landesplanungsgesetzes, die den Ausbau der Windenergie angeschoben habe. Es sei „mühsamer als gedacht gewesen, den Hebel bei den erneuerbaren Energien umzulegen“, räumt Franz Unterstellers Umweltministerium ein. Doch vor allem über Windräder wird im Südwesten inzwischen deutlich mehr Strom produziert. Die erneuerbaren Energien haben jetzt einen Anteil an der Stromerzeugung von rund 25 Prozent gegenüber 17 Prozent im Jahr 2010.

Die Opposition fordert einen wirksameren Schutz vor Hochwasser. Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Grün-Rot hat die Mittel dafür gegenüber Schwarz-Gelb fast verdoppelt. Die vernachlässigte Sanierung von Hochwasserschutzdämmen im Land wurde wieder aufgenommen. Der Atomausstieg – die Urforderung der Grünen – ist Sache des Bundes. Doch das baden-württembergische Umweltministerium hat dafür gesorgt, dass in die Suche nach einem Endlager Bewegung gekommen ist.