Drei Frauen an der Spitze: Mersedeh Ghazaei, Kim Sophie Bohnen und Amelie Vollmer, skandieren beim Parteitag in Leinfelden einen antifaschistischen Schlachtruf mit den Delegierten. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Noch nie war die Linke im Landtag von Baden-Württemberg. Das könnte sich 2026 ändern. Beim Parteitag wird klar, dass sie vor allem in der Wählerschaft der Grünen fischt.

Es war eine klare Demonstration dessen, wie das mit den drei Frauen als Spitzentrio bei der Linken funktionieren soll. Abwechselnd hielten die Spitzenkandidatinnen Kim Bohnen, Amelie Vollmer und Mersedeh Ghazaei am Samstag eine gemeinsame Rede beim Parteitag der Linken in Leinfelden. Ein höchst ungewöhnliches Bild auf Parteitagen, wo vor allem im Wahlkampf einzelne Kandidaten ihre Reden in der Regel nutzen, um die Partei – und die Öffentlichkeit – von sich, und nur sich, zu überzeugen.

 

Das Ziel: „Der Einzug als Sozialopposition in den Landtag“, rief Kim Bohnen. In aktuellen Umfragen liegt die Partei in Baden-Württemberg bei sieben Prozent. Der Bundesvorsitzende Jan van Aken hofft auf mehr: „Ich bin überzeugt davon, dass wir alle gemeinsam sogar zehn Prozent schaffen können“, sagte er in seiner Rede.

Jan van Aken will bei der Landtagswahl zehn Prozent schaffen

Woher die zusätzlichen Stimmen kommen sollen, wurde bei dem Parteitag mehr als deutlich. Sicher nicht ohne Grund setzt sich die Partei im Wahlprogramm das Ziel der Klimaneutralität 2035. „Die Grünen im Land sind doch längst keine Klima- und Umweltpartei mehr“, befand der frühere Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger. Das sieht offensichtlich auch die Klimabewegung Fridays for Future so, deren Aktivistin Paula Kanzleiter sich auf dem Parteitag wünschte, dass mit der Linken „eine starke Stimme für das Klima in den Landtag“ einziehen möge.

Linkenchef Jan van Aken sieht noch Luft nach oben. Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Das Hauptthema, mit dem die Linke aber punkten will, ist die Wohnungspolitik. Das ist das Ergebnis der Haustürgespräche, die die Partei seit einem Jahr führt. „Die Menschen an den Türen haben uns diese Aufgabe ganz klar mitgegeben“, sagt Bohnen. Gesundheit und Bildung sind die Themen, die danach kommen. Es sind alte Ideen der Linken, die mit den neuen, jungen Spitzenkandidatinnen in den Landtagswahlkampf einziehen. Alle drei sind unter 30.

Von 10 000 Mitgliedern ist mehr als die Hälfte unter 30

Sie stehen für den tiefen Erneuerungsprozess, in dem die Partei steckt. Zuletzt zählte die Linke in Baden-Württemberg 10 136 Mitglieder, das sind fast drei Mal soviel wie vor einem Jahr. Die Partei kommt damit auf mehr Mitglieder als FDP oder AfD in Baden-Württemberg. Mehr als die Hälfte der Mitglieder ist jetzt 30 Jahre alt oder jünger. Nicht jeder, das wird bei der Diskussion über das Wahlprogramm deutlich, kennt die Prozesse der Parteibürokratie bereits. Wochenlang wurde das Programm in Gremien vorverhandelt. Von gut 190 Änderungsanträgen werden noch 33 auf dem Parteitag diskutiert. Darunter teils seitenlange Eingaben, die Landessprecherin Sahra Mirow mit freundlichen Worten ablehnt und weiterverweist.

Dass die Linke ihre Besonderheiten hat, ist auf dem Parteitag deutlich zu sehen. Eine Dreiviertelstunde lang wird diskutiert, ob es statt Applaus eine Handbewegung gibt, die nicht nur von Gehörlosen wahrgenommen wird, sondern auch neurodivergenten Menschen die Teilnahme erleichtert. Beim Thema Solidarität macht die Partei auch vor sich selbst nicht halt. Die Abgeordneten sollen von ihren Diäten nur einen Durchschnittslohn behalten und den Rest in einen Fonds für soziale Projekte einzahlen, zudem beschließen die Delegierten, die Mandatszeit auf zwei Legislaturperioden zu begrenzen.

Die Linksjugend geht bei Israel auf Konfrontation

Welche Debatten den Linken mit den jungen Mitgliedern blühen dürften, wird deutlich, als es um Israel geht. Nils Wagner, Landessprecher der Linksjugend solid, spricht in einer Rede von Palästina statt von Israel und nennt Israel einen „ethno-nationalistischen Staat“. Der Widerspruch folgt prompt: Gerlinde Strasdeit aus Tübingen stellt klar:„Das ist nicht die Position der Linken.“ Die Partei hat sich in der Vergangenheit immer für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen.

Andere radikalere Vorschläge finden hingegen Zustimmung. Der Vorschlag der antikapitalistischen Linken, Autokonzerne und große Zulieferer in Gemeineigentum zu überführen, findet zwar keinen Eingang ins Wahlprogramm. Am Samstag hingegen wird ein Antrag mit ähnlichem Inhalt als grundsätzliches Ziel der Partei abgenickt. Ob die Idee, die auch Kevin Kühnert als Juso-Chef schon hatte, im Autoland Baden-Württemberg auf fruchtbaren Boden fallen wird, ist allerdings fraglich.

Zumindest vorerst dürfte die Linke aber auch gar nicht in die Position kommen, solche Ideen tatsächlich umzusetzen. Regieren sei nicht das Entscheidende, sagt van Aken. „Das Entscheidende ist, dass wir etwas verändern.“ Landessprecherin Mirow kündigte an: „Wir werden die unbequemste Opposition sein, die dieses Land je erlebt hat.“ Einige denken offenbar weiter: Spitzenkandidatin Mersedeh Ghazaei ließ keinen Zweifel daran, was sie im Landtag vorhat: „Wir gehen rein, um zu bleiben.“