Streitthema: Wie steinig soll der Weg sein Foto: dpa

Grün-Rot wolle das Gymnasium abwerten, und die von ihnen gepäppelte Gemeinschaftsschule verspreche mehr, als sie halte, meinen CDU und FDP. Im Landtag tobt bereits der Wahlkampf.

Stuttgart - „Schluss mit der Heimlichtuerei der Landesregierung um das Papier Gymnasium 2020“, fordert Timm Kern, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag. Der Gymnasiallehrer hatte beantragt, in der Plenarsitzung am Donnerstag über ein kürzlich bekannt gewordenes Arbeitspapier „Gymnasium 2020“ aus dem Kultusministerium zu debattieren. Dies hatte eine Arbeitsgruppe mit Schülern, Eltern, Lehrern, Gymnasialdirektoren, Ausbildern und Wissenschaftlern im Auftrag der früheren Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) erarbeitet.

Nach der Hauptschule und der Realschule gerate nun auch das Gymnasium ins Visier der Landesregierung, sagte Kern. „Diese Pläne gefährden das hohe Niveau unserer Abiturienten und legen die Axt an den Wohlstand unserer Heimat.“ Das Arbeitspapier, in dem beispielsweise Lernateliers, Lernbegleiter für jeden Schüler und der Ausbau der Gymnasien zu echten Ganztagsschulen vorgeschlagen werden, belege, dass die Landesregierung das Gymnasium zu einer „Schule für alle“ machen wolle.

Auch Karl-Wilhelm Röhm, Bildungsexperte der CDU, sieht die Vorschläge des Arbeitskreises als Versuch, die Gymnasien „gemeinschaftsschulkonform“ zu machen. Sprachen und Naturwissenschaften sollten geschwächt werden, damit das Abiturversprechen für die Gemeinschaftsschulen eingelöst werden könne, erklärte der Leiter eines Gymnasiums. Das gehe zulasten der Schüler, die von Anfang an das Gymnasium besucht hätten, und sei ein „vorweggenommener Offenbarungseid“.

Grüne und SPD wiesen die Vorwürfe zurück. CDU und FDP hätten mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums im Jahr 2004 erst die Probleme geschaffen, mit denen viele Schulen bis heute zu kämpfen hätten, konterte Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann. Etwa, dass sich viele Schüler in G-8-Zügen einer großen Belastung ausgesetzt sähen. Sich Gedanken darüber zu machen, wie das verändert werden könnte, sei nötig. Damit werde weder das allgemeine noch das berufliche Gymnasium infrage gestellt.

Ihr SPD-Kollege Claus Schmiedel warf der Opposition vor, sie setze auf Stillstand. „Sie haben immer noch nicht verwunden, dass Sie ihre gefühlte geborene Rolle als Regierungspartei verloren haben.“ Vorschläge der Arbeitsgruppe, etwa die Wiedereinführung von Grund- und Leistungskursen in der Oberstufe, sollten geprüft werden. Deren Abschaffung durch die frühere CDU-FDP-Regierung habe zu erheblichen Folgeproblemen vor allem in der Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern geführt. Den mitarbeitende Direktoren im Arbeitskreis zu unterstellen, „dass sie das Gymnasium an die Wand fahren wollen, ist töricht“, so Schmiedel.

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) mahnte, statt „gespielter Empörung“ und „hysterischen Aufheulens“ sei eine sachliche Debatte notwendig. Das Gymnasium sei eine sehr erfolgreiche und auch angesehene Schulart. Aber angesichts der zunehmenden Vielfalt in den Klassen brauche es Verbesserungen, damit Schüler die hochgesteckten Ziele erreichen können. Auch bei der Förderung von Spitzenbegabungen gebe es noch Luft nach oben. Einige der von der Opposition scharf kritisierten Vorschläge – etwa drei statt vier schriftlicher Prüfungen – seien in Bayern schon Wirklichkeit. „Wollen Sie unterstellen, dass dort das Leistungsprinzip abgeschafft ist?“

Stoch verteidigte auch die neuen Gemeinschaftsschulen, an denen sich die Schüler je nach Leistung und Motivation auf jeden Schulabschluss vorbereiten können. Nach Meinung von CDU und FDP hat Grün-Rot das Ziel verfehlt, an diesen Schulen eine ausgewogene Mischung von Haupt- und Realschülern sowie Gymnasiasten zu bekommen. Schüler mit einer Gymnasialempfehlung würden nicht angemessen gefördert. Grüne und SPD warfen der Opposition vor, die Gemeinschaftsschule schlechtzureden und die Eltern zu verunsichern. Die Gemeinschaftsschule komme gut an. Nach den Sommerferien wird die Zahl von derzeit 237 auf 271 steigen. Auch viele CDU-Bürgermeister und Gemeinderäte haben sich für die 2012 eingeführte Schulart entschieden.