Der Wissenschaftsausschuss in New York Foto: Landtag

Der Wissenschaftsausschuss des baden-württembergischen Landtags bereist die USA in Zeiten der Verunsicherung. Die Politiker erhalten aber deutliche Signale aus Wissenschaft und Politik, dass man intensiv zusammenarbeiten wolle.

Boston/New York - „Die USA sind mehr als Trump“. Diese Botschaft erhielten die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses des baden-württembergischen Landtags auf jeder Station ihrer Informationsreise an der Ostküste der USA. Die Gesprächspartner waren hochkarätiger und die Angebote zur Kooperation deutlicher, als die Landtagsabgeordneten erwartet hatten. In Connecticut traf sich der Gouverneur Dan Malloy zum Sechs-Augen-Gespräch mit Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und dem Ausschussvorsitzenden Andreas Deuschle (CDU). In Massachusetts stellten sich Senatoren und Abgeordnete im Dutzend zum Treffen mit den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten ein.

„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“

Die Abgeordneten waren nach eigener Einschätzung „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, wie der Ausschussvorsitzende Deuschle zufrieden bilanzierte. Der Regierungswechsel in den USA verunsichert die Wirtschaft, aber gerade auch die Wissenschaftsszene. Drohende Kürzungen bei Forschungen zum Klimawandel, in den Geistes- und Sozialwissenschaften beobachten Wissenschaftler von Harvard über das MIT bis zur staatlichen City University of New York mit Sorge.

Offene Worte fand Nina Lemmens, die Direktorin des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD). Das Interesse bei Studienbewerbern aus dem Ausland werde um 40 Prozent zurückgehen, zitierte sie eine Umfrage unter US-amerikanischen Collegekanzlern. Die Universität im kanadischen Toronto verzeichne bereits eine um 80 Prozent gestiegene Nachfrage aus den USA. Wissenschaftler mit Pässen aus den von dem Einreisestopp betroffenen Staaten würden nur zögerlich an Tagungen im Ausland teilnehmen. Ein deutscher Professor für Umweltingenieurswesen von der University of Columbia berichtete, die Universitäten überlegten sich bereits, ob sie noch internationale Tagungen in den USA veranstalten sollten.

Offenheit und Unterstützung angemahnt

„Die Lage ist schwierig, umso wichtiger ist es, dass das deutsche Wissenschaftssystem den amerikanischen Partnern mit großer Offenheit und unterstützend begegnet“, gab Lemmens den Reisenden aus Baden-Württemberg auf den Weg.

Das wollen die Ausschussmitglieder beherzigen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer wird sich selbst am March for Science beteiligen, der nicht von ungefähr auf den 22. April, den „Tag der Erde“ terminiert ist. Die Heidelbergerin will in ihrer Heimatstadt mitmarschieren und auch ein Statement abgeben. „Es handelt sich um ein internationales Signal, dass Wissenschaft sich nicht politisch beeinträchtigen lässt“, so die Ministerin. Nicht nur Donald Trump in den USA auch Wladimir Putin und Recep Erdogan seien Adressaten des Protests. „Jetzt wird eine Grenze überschritten, das darf man nicht hinnehmen“, erklärt die Politikerin ihre geplante Beteiligung an der Demonstration.

Bundesstaaten suchen eigene Partner

Offenheit signalisierten auch die Senatoren und Abgeordneten im imposanten State House von Massachusetts in Boston – besonders in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie vertraten die Ausschüsse für Wirtschaft, Exportentwicklung und Innovation. Senator Eric Lesser hob vor den Besuchern aus dem deutschen Südwesten hervor: „Wir in Massachusetts sind offen für Geschäfte“. In einer Zeit, da die deutsch-amerikanischen Beziehungen unter Druck seien, sei man dankbar, dass die Gäste gekommen seien. Der frühere Wahlkampfberater Barack Obamas betrachtet den Kongress in Washington als „paralysiert“. Er riet den Besuchern „folgen Sie nicht jedem Tweet, den Sie sehen“. Die Abgeordnete Lori Ehrlich sieht wie ihre Kollegen die Bedeutung der Bundesstaaten gestiegen. Die Bundesstaaten seien in den Lage, „eigene Beziehungen zu flechten“. Massachusetts brauche Partner außerhalb der USA. Die Senatoren und Abgeordneten streckten „formell die Hand aus für eine Partnerschaft mit Baden-Württemberg. Sie suchen ausländische Investoren und wollen beispielsweise Geschäfte mit „sauberen Technologien“ machen. Zusammenarbeit wäre auch im Bereich der dualen Ausbildung etwa mit der Dualen Hochschule (DHBW) vorstellbar.

Politische Kooperation mit Massachusetts

Die ausgestreckte Hand will Theresia Bauer für die Landesregierung ebenso ergreifen wie Andreas Deuschle für das Parlament. Bauer lud die Abgeordneten nach Baden-Württemberg ein. Sie werde dem Staatsministerium „nahelegen über eine politische Kooperation mit Massachusetts nachzudenken“. Dafür sieht sie „jede Menge guter Gründe“. Es handle sich um „zwei Innovationsregionen, die miteinander vorwärts kommen könnten“.

Deuschle ist nach der Reise überzeugt „man muss in diesen Zeiten die Partnerschaften intensivieren“. Das gelte für bestehende Kooperationen wie das universitäre Austauschprogramm mit Connecticut. Der Ausschussvorsitzende sieht auch die Landtage in der Pflicht. „Wir sollten als Parlament eine Initiative starten“, meint Deuschle mit Blick auf Massachusetts, schließlich sei es „fünf vor zwölf für die Demokratie“.

Anregungen für Baden-Württemberg

Auch die Hochschulen wie das MIT zeigten deutliches Interesse an Kooperationen mit baden-württembergischen Universitäten. Für die eigenen Strukturen nehmen die Abgeordneten ebenfalls konkrete Anregungen mit zurück nach Baden-Württemberg. Forscher und Wissenschaftler von Harvard, dem Fraunhofer Institut in Boston und Vertreter verschiedener Existenzgründungsagenturen kritisierten lange Genehmigungsverfahren für Innovationen in Deutschland und vergleichsweise schlechte Karrierechancen für Nachwuchswissenschaftler. Das müsse überdacht werden, finden Vertreter aller Fraktionen.

Die Impulse sind in beide Richtungen vielfältig. Gabi Rolland (SPD) hält die Vorbereitungskurse für Studienanfänger an der University of New York für vorbildlich. Hier sieht sie Nachholbedarf für Baden-Württemberg. Sie will bei künftigen Austauschprogrammen die Fachhochschulen stärker ins Spiel bringen. „Man muss die Regionen stärken“, findet Alexander Salomon (Grüne). Er sieht „das Tor der Möglichkeiten gerade weit offen“. Rainer Balzer, dessen AfD-Fraktion sich skeptisch gegenüber der Reise gezeigt hatte, gab sich „positiv überrascht“. Er rückt die berufliche Ausbildung in den Mittelpunkt möglicher Projekte, „eventuell könnte man eine Musterberufsschule aufmachen“. Nico Weinmann (FDP) meint, wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Jetzt, da das Freihandelsabkommen TTIP wohl nicht komme, „sollten wir im Kleinen den Handel voranbringen“ und etwa die Zusammenarbeit mit Massachusetts intensivieren.