Schafft es Die Linke über die Fünf-Prozent-Hürde? Wer zieht im März in den Landtag ein? Foto: dpa

Zum 50. Geburtstag des Landtagsgebäudes stimmen Denkmalschützer ein Loblied darauf an.

Stuttgart - Ein schwarzbrauner Würfel, schnörkellos und schlicht: Der Stuttgarter Landtag gilt nicht eben als Perle der Stadt. Was haben sich die Baumeister nur dabei gedacht? Drei Denkmalschützer wissen es.

Die Abgeordneten mögen ihn nicht besonders, den Landtagsbau im Stuttgarter Talkessel. Immer wenn sie ihre Kollegen in Düsseldorf, Kiel oder München besuchen, blicken sie voller Neid auf deren großzügige Parlamentsarchitektur. Dann kehren sie grimmig an den Eckensee zurück, erinnern sich an die migränefördernden Sitzungen im fensterlosen Plenarsaal und schmieden heimlich Neubaupläne.Hasenstall nennen manche das Landtagsgebäude sogar, vielleicht weil dessen Stelzen an gewisse Kleintierkäfige aus dem Baumarkt erinnert. Und eng geht es hier ja ebenfalls zu, nicht nur an Wahlabenden, dann aber besonders. So bedarf die Prognose, dass die Debatte auch in der neuen Wahlperiode wieder aufflammen wird, keiner prophetischen Gabe.

Nun lassen sich parlamentarische Kopfschmerzen nicht einfach wegdiskutieren, auch wenn der frühere Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn einmal maliziös anmerkte, für das Geld eines Neubaus könne man viele Aspirin-Tabletten kaufen. Der Wunsch nach Licht und Raum ist durchaus legitim.Eines aber sollten sich die Abgeordneten verkneifen: die Haltung, das schlichte Landtagsgebäude neben der Oper sei der Bedeutung Baden-Württembergs nicht angemessen. Auch wer mit dem Bauhausstil des von 1959 bis 1961 entstandenen Hauses nichts anfangen kann, sollte zumindest dessen herausragende architektonische und handwerkliche Qualität würdigen.

Bautechnische Untersuchungen

Pünktlich zum 50. Geburtstag - der Landtag wurde am 6. Juni 1961 in Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke eingeweiht - geben jetzt drei Denkmalexperten einen Einblick in dessen Entstehungsgeschichte und die Ergebnisse von neueren bautechnischen Untersuchungen. "Auch die Moderne kann in Würde altern" überschreiben Rolf-Dieter Blumer, Carola Klötzer und Karsten Preßler ihren Aufsatz in der Zeitschrift "Denkmalpflege". Neu bauen oder einbauen? Diese Alternative stand demnach schon anfang der 50-er Jahre im Raum, als klar war, dass das neue Bundesland ein angemessenes Parlamentsgebäude benötigt. Auch das Neue Schloss, damals noch ein Trümmerfeld, war bereits als Domizil im Gespräch. Doch darf ein demokratisch gewähltes Parlament am Sitz absolutistischer Fürsten tagen? Diese Frage beherrschte damals die Diskussion.Man reibt sich die Augen, denn erst vor wenigen Wochen haben die Chefs der großen Fraktionen dafür plädiert, der Raumnot im Haus der Abgeordneten durch einen Umzug ins Neue Schloss abzuhelfen. So ändern sich die Zeiten. Der Pragmatismus hängt wohl auch damit zusammen, dass in dem Barockbau seit Jahrzehnten ganz andere Fürsten residieren: die Beamten des Kultus- und Finanzministeriums. Doch damals waren die Vorbehalte unüberwindlich. Auch ein Neubau im Rosensteinpark wurde verworfen: So weit weg vom Volk wollten die Volksvertreter dann doch nicht tagen. Böse Zungen behaupten sogar, die Altbadener hätten diesen Bauplatz an der Peripherie vorgeschlagen, um das ungeliebte Parlament lächerlich zu machen. So entschied sich der Landtag also letztlich für einen Neubau neben der Oper.

In zwei Wettbewerben setzte sich der Mainzer Architekt Kurt Viertel mit seinem Entwurf durch: ein dreigeschossiges, von 49 Stützen getragener Skelettbau mit einem fensterlosen Plenarsaal im Zentrum. Das war die Basis, doch die Pläne wurden modifiziert: Die Stuttgarter Architekten Horst Linde und Erwin Heinle verringerten zum Beispiel die Seitenlänge des Kubus von 63 auf 54 Meter und rückten den Baukörper weiter vom Schloss ab. Am Ende, so schreiben die Autoren, habe man dem Gebäude "mit seiner kristallinen Form im großen, prächtigen Grünraum eine selbstbewusste Haltung als Solitär gegenüber dem Natursteinbau des Neuen Schlosses und dem mächtigen Bau des Großen Hauses des Staatstheaters bescheinigt".

Demokratische Ideale

Die Architektur des Gebäudes bringt in vielen Details demokratische Ideale zum Ausdruck. So gibt es nur einen Eingang für Abgeordnete und Besucher, das Glas an allen Seiten steht für Transparenz und Bürgernähe, die Wandelhalle mit der Galerie gewähren einen uneingeschränkten Blick zum Neuen Schloss. Geistiger Vater des Gebäudes sei der in Stuttgart nicht unbekannte Mies van der Rohe, lautet einst das Urteil des Co-Architekten Horst Linde. Die Wertschätzung des Parlaments drückt sich nach Meinung der Autoren aber auch in der sorgfältigen Wahl der Baumaterialien aus. Dazu zählt etwa der marmorähnliche Spezialzement, mit dem man die Stahlbetonpfeiler beschichtete, der Holzmadener Schiefer an der Wand der Haupttreppe, der Travertin und der Schwarzwälder Granit für Böden und Sockel. Vor allem aber auf das Gerüst aus Buntmetall legten die Baumeister ihre ganze Sorgfalt. So haben Experten ausgiebig die Frage diskutiert, ob man dafür eloxiertes Aluminium - ein damals neuer Werkstoff - oder besser Buntmetall verwendet. Man habe sich schließlich für "Tombak" entschieden, heißt es in dem Aufsatz - eine Messinglegierung mit hohem Kupferanteil. Die Ulmer Wieland-Werke haben das Rohmaterial geliefert, wie überhaupt insgesamt 73 Firmen aus dem Südwesten am Bau beteiligt waren.

Messing also. Doch kaum war die Metallkonstruktion fertig, da stach den Bauherren deren dunkelbrauner Farbton unangenehm ins Auge. "Die beiden großen Stuttgarter Zeitungen berichteten in ihren Leitartikeln von dem Braunen Haus von Stuttgart - das war nur 15 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Nazi-Diktatur gemäß der politischen Farbenlehre ein großes Ärgernis", berichten die Denkmalschützer. Erst als zwei unabhängige Metallexperten dem Landtag versicherten, die Metallfassade werde im Lauf der Jahre nachdunkeln, glätteten sich die Wogen.Das Landesamt für Denkmalpflege hat übrigens im Jahr 2007 das Metallgerüst wissenschaftlich untersuchen lassen, um Klarheit über die Materialien und den Zustand des Gebäudes zu erhalten. Dabei ergab sich nicht nur, dass neben Messing in geringem Umfang auch Bronze und eloxiertes Aluminium verbaut wurde. Es bestätigte sich auch die Qualität: "Aufgrund der sehr guten Materialeigenschaften, ihrer Beschichtung und Patinierung handelt es sich um eine nahezu wartungsfreie Fassade, wovon jeder Bauherr eigentlich nur träumen kann." Von wegen Hasenstall!