Innerparteiliche Gegner: Emil Sänze und Bernd Gögel (r.) stehen an der Spitze der Landtags-AfD. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Neuer Streit in der AfD-Landtagsfraktion: Die gemäßigte Abgeordnete Doris Senger, die für den ins Europaparlament gewechselten Lars Patrick Berg nachgerückt ist, stößt auf Vorbehalte.

Stuttgart - Wenn die 20-köpfige AfD-Landtagsfraktion in Klausur geht, sind Überraschungen nie ausgeschlossen. Im Januar gab es bei der Tagung in Bad Mergentheim einen Putschversuch, den Fraktionschef Bernd Gögel nur mit knapper Not überstand. Bei der nun anstehenden Herbstklausur, die von Montag bis Mittwoch in Bad Herrenalb anberaumt ist, könnte es erneut zum Schlagabtausch zwischen den gemäßigten Kräften um Gögel und den radikaleren Kräften um Emil Sänze kommen, die teilweise enge Verbindungen zur völkisch-nationalen Gruppierung Der Flügel pflegen. Beide Lager sind in etwa gleich stark, das könnte zum Kräftemessen verleiten. Und an Konfliktstoffen herrscht in der inhaltlich wie strategisch heillos zerstrittenen Partei ohnehin kein Mangel.

Ruhe kehrt nicht ein

Der Rottweiler Sänze ist seit Anfang Juni wieder Vizefraktionschef, ebenso wie Rainer Podeswa. Beide hatten ihre Ämter nach Bad Mergentheim aus Protest niedergelegt. Carola Wolle, die ebenfalls dem Sänze-Lager angehört, schaffte erstmals den Sprung ins Führungsgremium, und dies wie Sänze und Podeswa im ersten Wahlgang. Der gemäßigte Stefan Herre verzichtete dagegen und legte den Vizeposten nieder. Die Hoffnung indes, dass mit den monatelang aufgeschobenen und dafür überraschend glatt gelaufenen Nachwahlen zur Fraktionsspitze ein wenig Ruhe einkehren könnte, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil. „Emil Sänze versucht alles, um die Macht an sich zu reißen“, ist aus Fraktionskreisen zu hören. Sänze selbst spricht von einem Grundmisstrauen und erklärt im Übrigen, dass er Interna nicht nach außen trage.

Zweidrittelmehrheit ist nicht in Sicht

Aktuell belasten vor allem Personalien das Klima. Da ist zum Beispiel die selbstständige Unternehmensberaterin Doris Senger (60). Die AfD-Politikerin aus Donaueschingen ist für Lars Patrick Berg, der ins Europaparlament wechselte, in den Landtag nachgerückt. Das passt manchen in der Fraktion nicht, da Senger ebenso wie Berg dem gemäßigten Lager zuzurechnen ist. Sie stärkt somit das Gögel-Lager, das überdies mit Thomas Palka jüngst einen Überläufer gewonnen haben soll. Somit stünden neun Abgeordnete aufseiten des Fraktionschefs und elf aufseiten von Fraktionsvize Sänze. Für ihn rückt eine Zweidrittelmehrheit, mit der er Gögel im Januar hätte stürzen können, in weite Ferne.

Unmittelbar nach Sengers Einzug in die Volksvertretung Mitte Juli strengten die radikaleren Kräfte eine Debatte dazu an, ob sie als Nachrückerin mit AfD-Zweitmandat aus dem Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen automatisch der AfD-Fraktion angehöre. Seither steht die Forderung im Raum, dass darüber abzustimmen sei. Die Befürworter scheinen sich nicht daran zu stören, dass die Landtags-AfD im Falle eines negativen Votums, das Senger fraktionslos stellen könnte, ihren Status als stärkste Oppositionskraft einbüßen würde. Sie zöge dann mit nur noch 19 Abgeordneten mit der SPD gleich.

Sänze verweist gegenüber unserer Zeitung darauf, dass die Fraktionssatzung eine solche Abstimmung über neue Fraktionsmitglieder ausdrücklich vorsehe. Die Regelung gehe zurück auf die mehrmonatige Spaltung der Landtags-AfD im Jahr 2016. Als die Abtrünnigen aus dem gemäßigten Lager um Jörg Meuthen zurückkehrten, habe man sie durch eine Abstimmung formell wiederaufgenommen. Dies müsse nun auch für Doris Senger gelten, da sie nicht schon bei der konstituierenden Sitzung des Landtags dabei gewesen sei, argumentiert er.

Senger will sich auf Sacharbeit konzentrieren

Fraktionschef Gögel widerspricht. Er habe sich rechtlich beraten lassen und festgestellt, dass Senger als Nachrückerin der AfD-Fraktion angehöre. Die Fraktionsführung sei dem gefolgt. Wenn einzelne Fraktionsmitglieder dies nicht könnten, hätten sie die Möglichkeit, eine Abstimmung über Senger zu beantragen, zum Beispiel auf der anstehenden Klausurtagung. Er hoffe, dass es dazu nicht komme, sagte Gögel unserer Zeitung. In diesem Fall werde es nämlich einen langwierigen Rechtsstreit über die Auslegung der Fraktionssatzung geben, „und das wäre sicherlich nicht förderlich für künftige Wahlerfolge der AfD in Baden-Württemberg.“

Und was sagt Doris Senger? Die AfD-Frau aus Donaueschingen wird nach zwei Monaten immer noch auf der Webseite ihrer Fraktion ignoriert, gibt sich äußerlich aber gelassen. Abgeordnete hätten natürlich jederzeit das Recht, kritische Fragen zu stellen. Das gelte auch, wenn es um ihre Person gehe. Sie habe sich juristisch beraten lassen, danach gebe es keinen Zweifel an ihrer Mitgliedschaft in der AfD-Landtagsfraktion. An Machtkämpfen habe sie kein Interesse, auch wenn sie sich als langjähriges Parteimitglied damit auskenne. „Ich will mich auf die Sacharbeit konzentrieren“, so Senger gegenüber unserer Zeitung.