FDP und AfD haben Innenminister Thomas Strobl CDU) unter Beschuss genommen. Foto: dpa

Das Parlament in Stuttgart streitet heftig über Ellwangen. Minister Strobl zürnt über den Vorwurf des „Staatsversagens“, den die Liberalen und die AfD erheben. Mehrheit lobt „besonnenes“ Polizeiverhalten.

Stuttgart - Bei der Bewertung des Polizeieinsatzes in der Flüchtlingsunterkunft („Lea“) in Ellwangen, bei der Ende April die Abschiebung eines Togolesen von 150 aufgebrachten Flüchtlingen zeitweise verhindert worden war, sind im Landtag in Stuttgart die tiefen Meinungsunterschiede zwischen den Fraktionen deutlich geworden. Mit ihrer Kritik an „rechtsfreien Räumen“ und dem „Staatsversagen“ waren die FDP sowie die AfD in einer Landtagsdebatte am Mittwoch isoliert im Parlament.

Die Polizei hat umsichtig gehandelt, sagen die Grünen

Sowohl die Koalitionspartner CDU und Grüne, aber auch die oppositionelle SPD – die zeitweise dem Innenminister Thomas Strobl (CDU) Beifall spendete – wiesen den Vorwurf des besonders von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke geäußerten Vorwurf des Staatsversagens energisch zurück. Sie lobten hingegen das „besonnene, kluge und richtige“ Verhalten der Polizeibeamten und des Polizeipräsidiums Aalen. Der CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart griff Rülke direkt an: „Es ist verantwortungslos mit solchen Begriffen wie Staatsversagen zu zündeln!“ Es habe in der „Lea“ einen „Angriff auf den Rechtsstaat“ gegeben, aber der sei mit Erfolg abgewehrt worden und die Ordnung in der Unterkunft sei wieder hergestellt. Die Täter seien identifiziert, es seien Haftbefehle ausgestellt und Strafverfahren seien eingeleitet worden. Andreas Schwarz von den Grünen sah dies ähnlich, er lobte die Polizei, da sie „nicht wie im Wilden Westen die Waffen gezogen“ habe, sondern „umsichtig“ gehandelt habe. Schwarz: „Zum Rechtsstaat gehört die Verhältnismäßigkeit der Mittel.“ Der Grüne befand, dass sowohl FDP als auch die AfD „zum ersten Mal die gleiche Wortwahl“ benutzen.

FDP kritisiert Führungsebene vom Polizeipräsidenten aufwärts

Den Schulterschluss mit CDU und Grünen suchte auch der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. In Ellwangen seien zunächst zwei Einsatzfahrzeuge sowie vier Beamte vorgefahren, um die Abschiebung vorzunehmen. Bei früheren Verfahren habe es mit so einer Präsenz „nie Probleme“ gegeben, der Widerstand der Flüchtlinge sei überraschend gewesen: „Es war verhältnismäßig, dass sich die Polizei in einer solchen Lage nicht den Weg freischießt.“ Innenminister Strobl kritisierte, dass Rülke mit dem Gerede vom „Staatsversagen“ dem Landtag und der parlamentarischen Demokratie schade. Die Polizei habe sich in „vorbildlicher Weise“ verhalten, sie habe sich von taktischen Erwägungen leiten lassen. Mit dem späteren Einsatz von 500 Beamten habe man deutlich gemacht, „dass es in Baden-Württemberg kein Staatsversagen und keine rechtsfreie Räume“ gebe.

Sowohl FDP als auch AfD beharrten aber auf ihrer Position. Dass es drei Tage lang gedauert habe, bis die Polizei in Ellwangen die Lage in den Griff bekam, so der Liberale und Ex-Justizminister Ulrich Goll, das sei kein Beweis von Handlungsfähigkeit. Die Kritik der FDP ziele aber nicht auf die Beamten, sondern auf die Führungsebene „vom Polizeipräsidenten aufwärts“. So sei der Vorfall weder im Lagebericht der Polizei erwähnt worden, außerdem habe der Innenminister erst 60 Stunden nach dem Vorfall davon erfahren, der Ministerpräsident offenbar gar nicht. „Drei Tage lang ist die Öffentlichkeit in Ellwangen getäuscht worden, dass in der Lea alles in Ordnung sei“, sagte Goll.

AfD spricht vom „Märchen vom starken Rechtsstaat“

Der AfD-Fraktionschef Bernd Gögl hieb in die gleiche Kerbe, er sagte, dass Innenminister Strobl in Ellwangen „vor einem Scherbenhaufen“ stehe. Einmal mehr werde jetzt „das Märchen vom starken Rechtsstaat“ erzählt. „Dabei tanzt die Asylindustrie dem Rechtsstaat auf der Nase herum“, meinte Gögl. Das sehe man auch daran, dass der abzuschiebende Togoles jetzt eine Klage gegen die Abschiebung einreichte. Straftäter, so bemängelte Gögl, „werden nur in homöopathischen Dosen“ abgeschoben. Auf Antrag der FDP wird sich der Innenausschuss des Landtags nächste Woche erneut mit Ellwangen befassen. Das letzte Wort in der Debatte hatte FDP-Chef Rülke, der feststellte, dass die Regierung wesentliche Fragen nicht beantwortet habe. Er bleibe dabei, so Rülke: „Wenn ein Asylbewerber abgeschoben werden soll und dies drei Tage nicht möglich ist, dann versagt der Staat in dieser Zeit und wir haben einen rechtsfreien Raum.“