Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der Debatte im Stuttgarter Landtag. Foto: dpa

Einstimmig hat der Stuttgarter Landtag am Dienstag eine Resolution verabschiedet, die Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge ablehnt. Doch im Detail sind sich die Oppositions- und Regierungsfraktionen nicht einig.

Stuttgart - Der baden-württembergische Landtag hat sich demonstrativ gegen Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge und für den Schutz von verfolgten Menschen ausgesprochen. Nach einer mehrstündigen Diskussion verabschiedeten die Abgeordneten am Mittwoch in Stuttgart einstimmig eine entsprechende Erklärung. Darin heißt es unter anderem: „Unsere demokratische und rechtsstaatliche Kultur verteidigen wir mit aller Entschlossenheit gegen Extremismus und Fremdenhass.“ Bei aller Gemeinsamkeit wurden im Detail Unterschiede zwischen Oppositions- und Regierungsfraktionen deutlich.

So kritisierte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Lage nicht im Griff habe. „Sie sind ein Getriebener, wir brauchen aber einen Ministerpräsidenten, der die Probleme löst und sich nicht treiben lässt in diesem Land.“ Der Regierungschef informiere die Kommunen nicht genügend über die Pläne in der Flüchtlingspolitik. „In der Kommunikation zwischen Landesregierung und Kommunen läuft etwas kräftig schief“, sagte er in der gemeinsam von SPD und CDU beantragten aktuellen Debatte.

Der Regierungschef hingegen warb um Verständnis für die angespannte Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen. „Wir handeln koordiniert, geschlossen und mit ganzer Kraft, um unserer Verantwortung möglichst gut gerecht zu werden.“ Wegen der hohen Flüchtlingszahlen stoße das Land an seine Grenzen. Aber: „Wir haben es geschafft, dass niemand auf dem Bürgersteig übernachten muss. Das ist eine beachtliche Gemeinschaftsleistung von Land und Kommunen.“

Vorwürfe gegen Kretschmann

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf Kretschmann hingegen mangelnde Selbstkritik vor. „Ihnen fehlt die Einsicht in eigene Fehler und Versäumnisse“, sagte der Liberale. Kretschmann agiere hilflos. „Er gibt so wenig Konkretes wie das Orakel von Delphi von sich, obwohl die Bürger heute wissen wollten, wie die Herausforderungen der Flüchtlingsaufnahme bewältigt werden können.“

Große Unterschiede wurden auch beim Thema sichere Herkunftsländer deutlich. Einen Antrag, mit dem CDU und FDP die Regierungsfraktionen bei der Vermeidung von Fehlanreizen im Asylsystem und der Benennung weiterer sicherer Herkunftsstaaten ins Boot holen wollten, lehnten Grüne und SPD ab. Sie wollen die Entscheidung über weitere sichere Herkunftsländer - namentlich Kosovo, Montenegro und Albanien - auf die Zeit nach dem Flüchtlingsgipfel an diesem Donnerstag in Berlin und der Regierungserklärung Kretschmanns am 1. Oktober verschieben. Kretschmann und die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann betonten, es gebe bislang noch keinen Beweis dafür, dass die Flüchtlingsströme durch die Benennung sicherer Herkunftsländer eingedämmt würden.

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel erteilte Versuchen eine Absage, die Gesellschaft in Einheimische und Flüchtlinge zu spalten. Die Geschichte Deutschlands und Baden-Württembergs zeige, dass die Zuwanderung - sei es von Heimatvertriebenen, Gastarbeitern, EU-Migranten oder Flüchtlingen - ein Gewinn sei. „Sie gefährdet auf keinen Fall unseren Wohlstand.“ Damit spielte er auf Formulierungen von CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf an, nach dessen Worten es auch Flüchtlinge gibt, die „an unseren Wohlstand wollen“. Wolf verteidigte seine Wortwahl. Das müsse man in Deutschland auch sagen dürfen: „Ich argumentiere differenziert. Ich bleib’ meiner Linie treu.“

Kretschmann appellierte an die Flüchtlinge, sich an die hiesige Rechtskultur zu halten. So müsse jeder zum Beispiel die Religionsfreiheit des anderen akzeptieren. „Wenn das alle gut beachten, dann kann das Werk (der Integration) gut gelingen.“ Er sei wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Meinung, das sei zu schaffen. Voraussetzung dazu sei allerdings, dass auch die anderen europäischen Länder ihren Beitrag zur Flüchtlingsaufnahme leisteten.

Die Resolution im Wortlaut

„Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Tod und suchen Schutz in Europa, vor allem in Deutschland. Die Aufnahme von Menschen, die vor Krieg und politischer Verfolgung zu uns fliehen, gehört zu unserer Rechts- und Werteordnung. (...)

Auch in Baden-Württemberg gibt es Brandanschläge auf geplante und bewohnte Flüchtlingsunterkünfte und wer den Kriegswirren entronnen ist, wird dadurch erneut von Gewalt bedroht. Auch in Baden-Württemberg versuchen Rechtsradikale, aus rassistischen Hassparolen gegen vertriebene und geschundene Menschen politischen Profit zu ziehen und hetzen gegen den demokratischen und sozialen Rechtsstaat.

Unsere demokratische und rechtsstaatliche Kultur verteidigen wir mit aller Entschlossenheit gegen Extremismus und Fremdenhass. Wir lassen nicht zu, dass einige Wenige das Klima in unserem Land vergiften. Wir verurteilen jede Form ausländerfeindlicher Straftaten aufs Schärfste. Wir stehen an der Seite aller Bürgerinnen und Bürger, die Verfolgten im ganzen Land helfen. Gleichzeitig nehmen wir die Sorgen der Menschen ernst und lassen sie mit ihren Befürchtungen nicht alleine. Denn sonst werden radikale Kräfte profitieren.“