Auch wer chattet oder Kurznachrichten schreibt, sollte die Rechtschreibung beherrschen, finden die Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag. Foto: dpa

Orthografie und Rechnen mangelhaft. Mit diesen Ergebnissen des Schulleistungsvergleichs Vera sind alle Fraktionen unzufrieden. Das zeigte die Debatte im Landtag. Schuldzuweisungen sind aber schwieriger geworden.

Stuttgart - Die Gewichte haben sich verschoben in der neuen Landesregierung. Das zeigte sich bei der Diskussion um das schlechte Abschneiden der baden-württembergischen Schüler bei den Vergleichsarbeiten Vera. In der ersten großen bildungspolitischen Debatte im Zeichen von grün-schwarz musste mancher Redner seine Rolle erst noch finden. Schuldzuweisungen sind durch die neue Regierungskonstellation schwieriger geworden.

Die alte und neue Opposition hatte es am einfachsten. Genüsslich konnte Timm Kern, der bildungspolitische Sprecher der FDP, wettern, dass Leistungsanforderungen demontiert worden seien, was Schüler demotiviere. Fünf Jahre unter Grün-Rot seien „fünf Jahre des Rückschritts für die Bildung in Baden-Württemberg“ gewesen. Jetzt, befürchtet Kern, werde es nicht viel besser kommen, denn jetzt bestehe die Gefahr, „dass sich grüner Unwille zur Kursumkehr und schwarze Unfähigkeit zur Veränderung gepaart haben“.

Die SPD, jetzt wieder neu in der Opposition, bis vor kurzem aber die Fraktion des Kultusministers, tat sich da deutlich schwerer. Natürlich könne man die Defizite der Schüler besonders in der Rechtschreibung und beim Rechnen „so nicht stehen lassen“, sagte der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei. Da sei es richtig gewesen, die Mittel für die Realschulen aufzustocken. Ihm blieb nur, zu fordern, die neue Regierung dürfe in der Bildung nicht sparen.

CDU richtet den Blick nach vorn

Karl-Wilhelm Röhm, bis dato scharfer Kritiker der grün-roten Bildungspolitik, jetzt aber bildungspolitischer Sprecher der mitregierenden CDU, zog sich mit der Fokussierung auf die Zukunft aus der Affäre: „Ich richte den Blick ausschließlich nach vorne“, sagte der Schulleiter. Mit dem Koalitionsvertrag von Grünen und CDU sei die Strukturdebatte überwunden. So sollen Realschulen mit Gemeinschaftsschulen gleich gestellt werden und bis zum Ende der Legislaturperiode ebenfalls 20 Stunden für die individuelle Förderung der Schüler bekommen. Jetzt, so Röhm, werde „ein vernünftiges Miteinander von Eltern, Lehrern und Schülern“ gebraucht, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern. Es gelte, „nicht in Schuldzuweisungen zu verfallen, sondern gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln und die Probleme anzupacken“.

Sandra Boser, die Grüne, rät ebenfalls, „sich von den ideologischen Debatten der Vergangenheit zu lösen“. Sie erinnerte daran, dass Baden-Württemberg schon seit dem Jahr 2000, der Veröffentlichung der ersten Pisastudie, in den Leistungsvergleichen kontinuierlich absinkt. Da wiederum war die Regierung schwarz-gelb. Boser findet, „wir haben auf die Erkenntnisse reagiert“. Problematisch seien fachfremder Unterricht und Fächerverbünde, Fächerverbünde werden mit dem neuen Bildungsplan, der im Herbst in Kraft tritt, abgeschafft. Fachfremder Unterricht ist besonders an kleinen Schulen ein Problem. Dem soll die regionale Schulentwicklung entgegenwirken.

Instrument zur Qualitätssicherung

Neu in der landespolitischen Arena ist die Kultusministerin. Susanne Eisenmann (CDU) konzentrierte sich ganz auf Vera. Die Ergebnisse könnten nicht zufrieden stellen, das Land habe sich stetig verschlechtert. Eisenmann will die Konzepte zum Schreiben und Rechnen in der Grundschule überprüfen. Dem Konzept Schreiben nach Hören hatte sie bereits eine Absage erteilt. Sie bekannte sich zu leistungsbezogenen Standards in der Schule: „Leistungsnachweise sind keine Schande“ und versprach zusätzliche Lehrerstunden ebenso wie die kritische Überprüfung der Lehrerausbildung. Leistungsvergleiche wie Vera sieht Eisenmann als Instrument, die Qualität der Schulen zu verbessern. Die Schulaufsicht werde die Befunde mit den einzelnen Schulen besprechen.