Im Südwesten sollen Landtagsabgeordnete künftig Familie und Mandat besser unter einen Hut kriegen können. Foto: dpa

Der Landtag von Baden-Württemberg soll familienfreundlicher werden. In einem bundesweit einzigartigen Modell können frischgebackene Eltern sich vom Parlamentspräsidenten bei vollen Bezügen bis zu sechs Monate beurlauben lassen. Ob das Beispiel Schule macht?

Stuttgart - Abgeordnete im baden-württembergischen Landtag sollen künftig Familie und Mandat besser unter einen Hut kriegen können. Das Parlament in Stuttgart beschloss nach einer von persönlichen Erfahrungen geprägten Debatte mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung als erstes bundesweit eine entsprechende Änderung seiner Geschäftsordnung. Danach kann der Landtagspräsident Abgeordnete auf Antrag für längstens sechs Monate nach der Geburt eines Kindes für die Plenar- und Ausschusssitzungen beurlauben. Überdies kann eine Abgeordnete innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfristen Urlaub beantragen.

„Wir brauchen junge Frauen und Männer, die politisch etwas bewegen wollen, ohne auf eine Familie verzichten zu müssen“, sagte die SPD-Abgeordnete und Initiatorin des interfraktionellen Antrages Anneke Graner. Der CDU-Abgeordnete Volker Schebesta betonte, das Parlament müsse für junge Abgeordnete attraktiv bleiben.

Der baden-württembergische Vorstoß trifft auch im Bundestag auf Interesse. Abgeordnete aller Fraktionen hatten sich dafür ausgesprochen, auch dort eine Elternzeit-Regelung einzuführen. Nach Graners Worten könnte die neue Regelung im Landtag, von der sie sich auch mehr Frauen in der Politik verspreche, auch Vorbild für Kommunalparlamente sein.

"Pampers statt Parlament"

Friedrich Bullinger von der FDP stimmte als einziger Abgeordneter gegen den Antrag; neben rechtlichen Bedenken machte er auch eine „gewisse Privilegierung“ der gewählten Volksvertreter geltend. Für sechs bis acht Sitzungen im Monat sei es bei vollen Diäten von rund 7000 Euro möglich, eine Kinderbetreuung zu organisieren, sagte der Vater von drei Kindern. Sein Fraktionskollege Timm Kern betonte, es sei auch möglich, sich intensiv um seine Kinder kümmern, ohne Urlaub in Anspruch zu nehmen. Er verwies auf eine Kita für Landesmitarbeiter in Stuttgart. Dennoch stimmten die Liberalen mehrheitlich für den Antrag.

Graner schilderte, wie sie 2013 als junge Mutter ins Parlament kam und ihr Mann mit dem Baby während der stundenlangen Landtagssitzungen um das Gebäude strich, damit die Mutter im Bedarfsfall schnell erreichbar war. „So amüsant das im Rückblick auch sein mag, die beste Lösung ist das nicht.“ Es sei nur mit großem Improvisationstalent möglich, Kinder und Mandat zu vereinbaren. Zwar könnten die Parlamentarier im Zuge ihrer freien Mandatsausübung Sitzungen fernbleiben, aber ohne die Neuregelung könne das der eigenen Fraktion im Ernstfall eine Abstimmungsniederlage zufügen. Eltern-Urlaub werde nun als „Pairing-Grund“ betrachtet, so dass sich dadurch die Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht ändern.

Der Grünen-Abgeordnete und frischgebackene Vater Kai Schmidt-Eisenlohr kündigte an, die Regelung selbst in Anspruch nehmen zu wollen. „Für mich gilt ab jetzt Pampers statt Parlament“, sagte er und hielt dabei das Lieblings-Stoffbuch seines Sohnes in der Hand. Nun bekomme dieser die Chance, seinen Vater entspannter zu erleben.