In dieser Anlage in Lenningen wird Biomasse verarbeitet. Foto: Fibers 365

Die Landkreise Esslingen und Göppingen sind Beispielregion bei der industriellen Bioökonomie. Das Netzwerk bio2value soll die Akteure enger verbinden.

Die Bioökonomie soll industrielle Prozesse neu ausrichten. Dabei stehen Nachhaltigkeit und nachwachsende Alternativen zu fossilen Rohstoffen und Energieträgern im Vordergrund. Wenn beispielsweise Rohstoffe, die in Abfällen und im Abwasser enthalten sind, genutzt werden, entsteht eine Kreislaufwirtschaft, die Klima und Ressourcen schont. Im Kreis Esslingen und dem benachbarten Kreis Göppingen gibt es bereits erfolgversprechende Ansätze.

 

Viele „hidden champions“

Nun stellten die IHK-Bezirkskammern Esslingen-Nürtingen und Göppingen das neue Netzwerk bio2value vor, das konkrete Projekte zwischen Unternehmen und Forschung in den beiden Landkreisen anstoßen sowie Kontakte untereinander vertiefen soll. „Viele wissen noch nicht voneinander, es gibt hier viele hidden champions. Dem wollen wir mehr Gewicht verleihen“, erklärte Pascal Bader, der vor seiner Wahl zum Kirchheimer Oberbürgermeister im Stuttgarter Umweltministerium das Referat Umwelttechnik, Forschung und Ökologie leitete.

Mit im Boot sitzen bei dem neuen Netzwerk neben Unternehmen wie Festo aus Esslingen, dem Denkendorfer Pharmaunternehmen PolyMedics, dem Kirchheimer Baustoffrecyclingunternehmen Feess und der Protein Distillery aus Ostfildern zahlreiche Verbände und Forschungseinrichtungen wie die Hochschulen Esslingen, Nürtingen-Geislingen, die Universität Hohenheim, die Hochschule der Medien sowie der Göppinger Forschungscampus Technikum Laubholz und die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf.

Beim Technikum Laubholz und beim Lenninger Unternehmen Fibers 365 geht es um die Nutzung von Zellulose-Fasern sowie in Lenningen um Biopolymere aus Stroh und anderen einjährigen Biomassen, aus denen Faserstoffe für die Papier-, Vlies-, Faserguss und Textilindustrie entstehen.

Eine beispielhafte Region

Die Aktivitäten in den Kreisen Esslingen und Göppingen mit mehr als 50 beteiligten Unternehmen mit direktem Bezug zur Bioökonomie in dem Netzwerk bio2value sind vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz als bundesweit jüngste Beispielregion der industriellen Bioökonomie ausgezeichnet worden.

Typisch für die Bioökonomie sind auch Bioraffinerien wie die BionicCellFactory, die das Esslinger Unternehmen Festo auf der Hannover Messe im großen Maßstab vorstellte. In so einer Bioraffinerie können Algenzellen als kleinste Fabriken der Welt unter Wirkung von Licht, Temperatur und Druck Omega 3-Fettsäuren oder Biokunststoffe produzieren, die in der Chemie-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie gebraucht werden. Anlagen mit mehreren hundert Litern Fassungsvermögen seien bereits machbar, erklärte Nina Gaißert von Festo. Nun gehe es darum, die Prozesse, bei denen auch CO2 gebunden werden kann, in größere Maßstäbe zu übertragen. „Wir brauchen von der Politik Ziele und Fördergelder und junge Ingenieure, die sich auf Technik und Biologie verstehen, so Gaißert.“

Die Hochschule Esslingen implementiere entsprechende Inhalte in Studiengängen wie Biotechnologie, Chemieingenieurwesen, Energiesysteme und – management oder Ressourcenmanagement im Maschinenbau, erläuterte Gabriele Gühring, Prorektorin für Forschung und Technik an der Hochschule. Man forsche beispielsweise am virtuell ferngesteuerten Labor für Mikroalgen, digitalen Zwillingen in Bioprozessen und dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. Ansprechpartner ist das fakultätsübergreifende Kompetenzzentrum Life-Cycle-Assessment am Institut für Nachhaltige Energietechnik und Mobilität.