Wegen versuchter Messerstiche muss ein 22-jähriger Pakistaner für vier Jahre ins Gefängnis. Foto: dpa

Ein Asylbewerber wird vor dem Landgericht wegen versuchten Totschlags verurteilt. Er hatte versucht auf einen Mitbewohner einzustechen.

Waiblingen - Der Anlass von Streitereien, in deren Folge ein 22-jähriger Asylsuchender aus Pakistan jetzt von der Ersten Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden ist, erscheint eigentlich recht banal. Der Mann hatte sich, so resümierte der Richter bei der Urteilsbegründung, durch die Mitbewohner im Zimmer zehn der Flüchtlingsunterkunft in Waiblingen gestört gefühlt. Diese hatten am Morgen das Frühstück vorbereitet, während der 22-Jährige noch schlafen wollte. Ein weiterer Grund zum Streit war ein freies Bett in einem anderen Zimmer, das entfernt worden war. Der 22-Jährige hatte es öfters als Ausweich-Schlafstelle benutzt und war verärgert.

Streit um ein Bett eskaliert

Anfang Juli vergangenen Jahres eskalierte ein Streit um ebenjenes Bett. Am Ende schlug der jetzt Verurteilte einem Mitbewohner mit der Faust gegen den Kopf und brach dem am Boden Liegenden einen Finger. Die Sache führte zu einer Anzeige bei der Polizei – und in diesem Zusammenhang dann zur finalen Eskalation rund zwei Wochen später. Tags zuvor hatte der 22-Jährige als Beschuldigter bei der Polizei zu jenem Vorfall aussagen müssen, und an jenem Morgen störte er sich einmal mehr an den Frühstücksvorbereitungen seiner Mitbewohner. Nach üblen Beschimpfungen und Drohungen benachrichtigten diese einmal mehr den Sozialarbeiter und später auch die Polizei.

Als ein Mitbewohner, der im Flur mit der Polizei telefoniert hatte, wieder in den Raum kam, schnappte sich der 22-Jährige ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge und stürzte sich laut übereinstimmenden Aussagen der Zeugen mit gegen den Bauch gerichteten Stichbewegungen auf den Mann und drohte auf Urdu: „Jetzt töte ich dich.“ Nur dem äußerst mutigen Eingreifen eines weiteren Zimmerbewohners, so formulierte es in der Urteilsbegründung der Richter, sei zu verdanken, dass aus dem Totschlagsversuch nicht ein vollendetes Verbrechen wurde: Der 24-Jährige fasste das Messer bei der Klinge und verhinderte so den Stoß, mit dem laut Gericht der Angreifer den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen hätte. Bei seinem Eingreifen zog sich der 24-Jährige Schnittverletzungen an der Hand zu.

„Der Fall kratzt am Mordversuch“

„Wir sind überzeugt, dass die Schilderungen der Zeugen wahr sind“, sagte der Richter. Sie deckten sich in allen wichtigen Teilen – und bei keinem von ihnen sei ein Versuch erkennbar, den Beschuldigten übertrieben zu belasten. Angesichts der Umstände des Geschehens habe sich sogar die Frage gestellt, ob es sich nicht sogar um einen Mordversuch gehandelt habe. Wenn eine solche Attacke aus Rache ausgeführt werde, dann handele es sich schließlich durchaus um das Mordmerkmal niedriger Beweggründe. Der Richter: „Der Fall kratzt nahezu am Mordversuch.“

Am Ende erfolgte die Verurteilung des Asylbewerbers, bei dem eine Gutachterin keinerlei Anzeichen für verminderte Schuldfähigkeit erkannte, wegen versuchten Totschlags mit bedingtem Vorsatz. Bei dem Strafmaß von vier Jahren habe man auch Faktoren berücksichtigt, die für den Mann sprächen, der bis dato nicht vorbestraft war, so der Richter. Der 22-Jährige hatte seinen Verteidiger am vierten Verhandlungstag ein Teilgeständnis verlesen lassen, in dem er Drohgebärden mit dem Messer zugab, aber jegliche Verletzungsabsicht bestritt.